Müllermeister Bauernschlau: zur Person des Peter Ramsauer

von Winfried Wolf

Peter Ramsauer präsentierte sich Ende 2009 und Anfang 2010 als neuer Verkehrsminster in einer Weise, die den Eindruck entstehen ließ, der Mann lehne eine Bahnprivatisierung ab. Das ist absolut nicht der Fall – wie weiter unten dokumentiert wird. Ramsauer präsentiert sich auch gern als jemand, der sich offensiv gegen die Anforderungen großer Konzerne stellt. Während der Sperrung des Luftraums in Sachen isländischer Vulkanausbruch und Vulkanflugasche-Wolken erschien es einige Tage lang so, als widersetze sich Ramsauer den kurzfristigen Profitinteressen der Airlines. Auch das hat sich nicht oder nur sehr bedingt bewahrheitet. Der Luftraum wurde dann doch recht schnell wieder freigegeben. Neue Konzessionen gegenüber den Airlines – auch in Zukunft keine Kerosinsteuer und neue Subventionen an dieselben wegen der Flugverkehrsunterbrechungen zeichnen sich ab.

Doch zurück zum Thema Bahnprivatisierung: Blickt man auf Herrn Ramsauers Engagement in der vorausgegangenen Legilaturperiode zurück, so müsste der Mann geradezu eine operative Entfernung seiner Grundpositionen erlebt haben, wenn er sich heute als latenter Gegner einer Bahnprivatisierung präsentiert.

In den Zeiten der großen Koalition (2005-2009) engagierte sich der damalige CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer wiederholt unzweideutig für die Bahnprivatisierung. So lehnte er Mitte 2007, als sich die Kritik an dem Projekt eines ″integrierten Börsengangs″ der Deutschen Bahn AG zuspitzte, eine Verschiebung des Bahnbörsengangs mit den Worten ab: ″Wir haben uns auf ein vernünftiges Modell geeinigt. Der Privatisierungsprozess der Bahn kann jetzt beginnen..″ (Frankfurter Allgemeine Zeitung / faz.net vom 25.7.2007).

Als die Stimmen beim Koalitionspartner SPD in der Frage der Bahnprivatisierung zunehmend kritischer wurden, erklärt der CSU-Landesgruppenchef: ″Die SPD hat sich selbst in jüngerer Zeit nicht mehr in der Lage gesehen, getroffene Verabredungen einzuhalten. Beispiele sind die Bahnprivatisierung und der Einsatz der Bundeswehr im Inneren.″ (Mittelbayrische Tageszeitung vom 21.10.2008).

Bei der Abstimmung des Deutschen Bundestags über den Antrag von CDU/CSU und SPD zu einer Teilprivatisierung der Sparten Nah-, Fern-, Güterverkehr und Logistik vom 30. Mai 2008 – siehe oben TOP 1 – stimmte der CSU-Landesgruppenchef Ramsauer namentlich erfasst für den Bahnprivatisierungsantrag. (Protokoll der Bundestagssitzung vom 30. Mai 2008).

Herr R. frißt Kreise

Nach seiner Wahl ins Amt des Bundesministers für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung kam es zu einem Prozess des Nachdenkens und der Einsicht. Anfang November 2009 äußerte sich der neue Amtsinhaber wie folgt: ″Einen Börsengang oder einen Verkauf (der Bahn) unter Preis wird es mit mir nicht geben. Privatisierung ist weder ein Selbstzweck noch ein politisches Heilmittel. Sorgfalt muss vor Schnelligkeit gehen. Die Bahn ist keine x-beliebige Staatsbeteiligung, sondern im Bewusstsein der Deutschen etwas ganz Besonderes.″ (Passauer Neue Presse vom 5.11.2009).

Ende November 2009 theoretisierte der Bundesminister diese Ansicht mit den Worten: ″Im Bereich der Daseinsvorsorge hat die öffentliche Hand bestimmte Dienstleistungen für die Bürger bereitzustellen und zu garantieren.″ Zum gleichen Zeitpunkt und an der gleichen Stelle untersetzte er diese Ansicht wie folgt mit praktischen Resultaten des Privatisierungskurses: ″Man sieht am Beispiel der Berliner S-Bahn, wohin es führt, wenn ein Staatsunternehmen zur kurzfristigen Gewinnmaximierung ausgepresst wird. Wer Bremsen und Achsen auf Verschleiß fährt, verliert den gemeinwirtschaftlichen Auftrag aus dem Auge.″ (Superillu 49/2009).

Kurz darauf antwortete der Bundesverkehrsminister auf die Frage ″Zur Bahn – wann kommt die Privatisierung?″ mit: ″Da stehe ich eher auf der Bremse. Für mich ist die Bahn kein beliebiges Wirtschaftsgut. Die Bahn hat eine patriotische Komponente, mit der man sorgsam umgehen muss.″ (BZ vom 28.11.2009).

Im Dezember 2009 stelle der Bundesverkehrsminister klar, dass die Bundesregierung aktiv gehandelt und den Bahnprivatisierungsprozess gestoppt habe. Auf die Frage ″Werden Sie die Bahnprivatisierung vorantreiben″ antwortete er: ″Wir haben die Teilprivatisierung der Mobilitätssparte der Deutschen Bahn erstmal gestoppt. Ein Börsengang zu den aktuellen Kursen würde bedeuten, dass volkswirtschaftliches Eigentum buchstäblich verschleudert wird.″ (Deutsche Verkehrs-Zeitung – DVZ – vom 15.12.2009).

Im Januar 2010 legte sich der Bundesverkehrsminister unmißverständlich fest. Beim Jahresempfang der regionalen Wirtschaft im bayerischen Bad Adelzhofen äußerte er: ″Deswegen wehre ich mich auch gegen den Privatisierungswahn.″ Mit einem Börsengang drohe die Qualität zu leiden; dann werde ″nur noch kaufmännisch gehandelt, also so billig wie möglich eingekauft, um sich eine hohe Rendite zu sichern.″ (Chiemgau-Zeitung; zitiert in: Handelsblatt vom 28.1.2010).

Ausgependelt & eingefädelt

Alles spricht dafür, dass Peter Ramsauer diesen Kurs – durchaus ähnlich wie Rüdiger Grube – fährt, um der unbestreitbaren weit verbreiteten öffentlichen Kritik an der Bahnprivatisierung den Wind aus den Segeln zu nehmen. Das zeigten bereits einige Zwischentöne in den oben angeführten Zitaten. Bei dem Zitat aus der Passauer Neuen Presse vom 5.11.2009 – siehe oben . Sollte man den Akzent auf die Verweise legen, wonach es mit Ramsauer keinen Börsengang ″unter Preis″″ geben werde, und dass hier ″Sorgfalt vor Schnelligkeit″ geht – oder auch: Jetzt, nach vier Jahren mit zwei gescheiterten Versuchen eines Bahnbörsengangs muss die Bahnprivatisierung ″mit Sorgfalt″ vorbereitet – und dann durchgezogen werden.

Entscheidend sind letzten Endes die Taten des Müllermeisters, und nicht die wohlfeilen – bauernschlauen – Worte. Um drei solcher Taten herauszugreifen:

  • Ramsauer ist im wesentlichen verantwortlich für die Zusammenstellung des neuen Aufsichtsrats der Deutschen Bahn AG. Allein die Personalentscheidungen Felcht, Großmann, Dänzer-Vanotti und H. Weiss stehe in krassem Widerspruch zu den Aussagen, die Bahn werde jetzt ihre ″Hausaufgaben″ machen und dokumentieren einen Neuanfang bei der Orientierung auf eine Bahnprivatisierung.
  • Ramsauer unterstützte in den Monaten März und April 2010 persönlich den Global-Player-Kurs der Bahn, u. a. indem er Delegationsreisen in den Nahen Osten anführte (um dem Katar-Engagements der DB AG zum Erfolg zu verhelfen) und indem er sich für den Kauf von Arriva durch die DB AG aussprach.
  • Im Sommer soll – mit dem Segen von Ramsauer – der ehemalige MdB Georg Brunnhuber, der bis April 2010 Aufsichtsrat der DB AG war, seinen neuen Job als ″Cheflobbyist″ der DB AG antreten. Faktisch übernimmt er damit eine Position, die bisher Otto Wiesheu einnahm (Wiesheu steht bis Ende 2010 bei der Bahn unter Vertrag und soll vor allem die Expansion der DB AG ins Ausland organisieren). Brunnhuber wiederum hat sich in den vergangenen Jahren – wie ja auch Ramsauer – als engagierter Vertreter eines Bahnbörsengangs hervorgetan. Er will dieses Engagement auch in Zukunft in seiner neuen Position fortsetzen und dabei ″nochmal richtig Geld verdienen″.