Unzuverlässig, verschlissen, teuer …

Schluss mit dem Bahnkunden-Großversuch — her mit der gemeinnützigen Bahn

Pressemitteilung von Bahn für Alle

Berlin, 20. März 2024: Am Vortag der anstehenden Bilanzpressekonferenz der Deutschen Bahn AG zieht das Bündnis Bahn für Alle wie jedes Jahr seine eigene Bilanz zum Zustand des staatlichen Bahnkonzerns und kommt zu dem Fazit: Grundsätzliche Änderungen sind überfällig! Am Ende des 30 Jahre dauernden Experiments sagen wir: Schluss mit dem Bahnkunden-Großversuch – her mit der gemeinnützigen Bahn!

Carl Waßmuth, Sprecher von Bahn für Alle:

 „Es gibt zu viel auf der Soll-Seite der Deutschen AG, zu wenig auf der Haben-Seite. Im letzten Jahr hat sich die Lage weiter verschärft. Das bilanzieren auch die Bürger*innen so. Bei der von Bahn für Alle beauftragten repräsentativen Umfrage sahen über achtzig Prozent die Entwicklung der Bahn in Deutschland als negativ beziehungsweise sehr negativ an. 70,1 Prozent der Befragten gaben an, dass die Deutsche Bahn lieber gemeinnützig als gewinnorientiert sein soll.“

Auf der Soll-Seite stehen aus Sicht von Bahn für Alle beispielsweise:

  • Die Inkaufnahme von Streikfolgekosten, die deutlich höher waren, als die Summe der Forderungen seitens der Beschäftigten. Dies obwohl die Deutsche Bahn AG ein Staatskonzern ist, von dem man erwarten dürfte, einen volkswirtschaftlichen Ansatz im Blick zu haben. Gleichzeitig und trotz verfehlter Ziele unter anderem bei Pünktlichkeit und Kundenzufriedenheit genehmigte der Konzernaufsichtsrat im Dezember 2023 Bonuszahlungen an das Management in Höhe von insgesamt fünf Millionen Euro für das Jahr 2022.
  • Die rekordverdächtige und an den Nerven der Kundschaft zehrende Unpünktlichkeit: Laut jüngsten Zahlen von Statista kamen nur 62,9 Prozent der Züge im Fernverkehr der Deutschen Bahn AG (EC, IC, ICE) im Dezember 2023 zur fahrplanmäßigen Ankunftszeit plus maximal 5:59 Minuten an. Das sind über zehn Prozentpunkte weniger als im Januar 2023. Hinzu kommen viele Komplettausfälle von Zügen, die wiederum zur Überfüllung anderer Verbindungen führen.
  • Die Häufung kundenunfreundlicher Entscheidungen, die die Angebote verteuern und unflexibler machen, aber auch einen inklusiven Ansatz vermissen lassen. Dazu zählen unter anderem der Wegfall von Sparpreisen an Automaten ab dem 1. Januar 2024, das Fehlen einer Wahlmöglichkeit bei der Ausgabe der BahnCards (aktives Versandangebot der DB AG ohne digitale Voraussetzungen bei den Nutzer*innen) und das Einführen einer Reservierungspflicht für fast alle internationalen Fernzüge zwischen dem 1. Juni und dem 1. September 2024 von und nach Deutschland – keine gast-, europa- und fußballfan-freundliche Regelung.
  • Die vielmonatigen Komplettschließungen von Strecken zur Generalsanierung, zum Teil mit vorgeschalteten monatelangen turnusmäßigen Sanierungen wie im Falle der Strecke Hamburg—Berlin, sind für Pendler entlang der Strecke, die schnelle ICE- oder EC-Verbindungen nutzen müssen, unzumutbar. Auch für die Güterverkehrsunternehmen bringen die Schließungen massive Probleme mit sich.

Carl Waßmuth, Sprecher von Bahn für Alle:

„Die Bilanz der Deutschen Bahn AG 2023: Die DB AG lässt ihre Kund*innen und Beschäftigten so sehr im Stich, dass nur noch eine vollständige Gemeinnützigkeit Abhilfe schaffen kann. Sie wäre zudem verkehrspolitisch zukunftsfest und klimatauglich. “

Auf der Haben-Seite einer gemeinnützigen Bahn könnten zum Beispiel stehen:

  • Die Deutsche Bahn gAG senkt die Fahrpreise, vereinfacht das Ticketsystem und bietet Sozialtarife an.
  • Bund und Deutsche Bahn arbeiten gemeinsam an einer zukunftstauglichen Verkehrspolitik, die eine Zielmarke festlegt, bis wann jeder Ort ab 100 Einwohnern stündlich zwischen 5 und 1 Uhr mit einem öffentlichen Verkehrsmittel erreichbar ist. Im Gegenzug stellen Bund und Deutsche Bahn teure und klimaschädliche Großprojekte wie zum Beispiel Tunnelbauten ein und entwickeln konkrete Pläne zur Sanierung bestehender Strecken, zur Elektrifizierung, zur Streckenreaktivierung und zum erheblichen Streckenausbau in der Fläche.
  • Als kurzfristige Maßnahme erhöht die Deutsche Bahn die Netzkapazität deutlich durch (Wieder-)Einbau von Weichen und Überholgleisen.
  • Die Deutsche Bahn vernetzt Mittelzentren und beliebte Urlaubsdestinationen wieder und legt zudem die Zuggattung Interregio neu auf.
  • Die Deutsche Bahn wird mit eigenen Nachtzugangeboten Herzstück und Motor eines europaweiten Nachtzugangebots.
  • Die Deutsche Bahn und der Bund verzahnen sich bei den Infrastrukturinvestitionen enger und streben den Start in den Deutschlandtakt wie ursprünglich geplant für 2030 an statt wie derzeit erst für 2070. Dazu gestaltet die Deutsche Bahn die 5.600 zurzeit vielfach vernachlässigten Bahnhöfe zu attraktiven Zugängen zum System Schiene um.
  • Die Deutsche Bahn gestaltet Zugfahren angenehm, indem sie zum Beispiel Hygienemindeststandards und Barrierefreiheit bei jedem Zug einhält und indem ein Großgepäckwagen die Mitnahme von Fahrrädern, Anhängern et cetera erleichtert.

Für Rückfragen: Carl Waßmuth:  carl.wassmuth@bahn-fuer-alle.de

Link zu den Umfrageergebnissen: https://bahn-fuer-alle.de/70-prozent-der-bevoelkerung-wuenschen-sich-eine-gemeinnuetzige-bahn/

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Bahn für Alle setzt sich für eine gemeinnützige Bahn in öffentlichem Eigentum ein. Eine Bahn, die allen Menschen gehört und für alle da ist, Rückgrat einer sozialen und ökologischen Verkehrswende. Mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen und Positionspapieren, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Publikationen, Kongressen, Stellungnahmen, Redebeiträgen und anderen Aktivitäten bringen wir uns in die laufenden verkehrspolitischen Debatten ein.