Was wir wollen
Bahn für Alle ist 2005 gestartet, um die Bahnprivatisierung zu verhindern. Doch von Anfang an wollten wir mehr: Dass sich die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien für eine Bahn der Zukunft entscheiden. Auf unserer Konferenz „Die Bahn ist keine Ware!“ am 18. März 2007 in Berlin haben wir unser Positionspapier „Perspektiven für eine Bahn für Alle“ beschlossen, das bis heute kaum an Aktualität verloren hat.
Zusammengefasst ist unser Ziel: eine bessere Bahn in öffentlicher Hand.
Perspektiven für eine Bahn für Alle
Präambel
Die Bundesregierung hat erkannt, dass der Straßen- und Luftverkehr wesentlich zu den sich abzeichnenden Klima-, Umwelt- und Energieproblemen beiträgt. Sie wird deshalb jede Art der Kapitalprivatisierung ablehnen, die Deutsche Bahn in ausschließlich öffentlichem Eigentum behalten, ausbauen und als wesentliches Instrument der Verkehrs-, Energie- und Klimapolitik nutzen. Sie wird die Bürgerinnen und Bürger über den hohen klima- und energiepolitischen Stellenwert der Bahn aufklären und durch entsprechende Rahmensetzungen zum umweltgerechten Verkehrsverhalten bewegen. Sie wird dem Ausbau der Bahn Vorrang vor dem Straßen- und Luftverkehr einräumen.
1. Neue Zielsetzungen für Wachstum der Bahn
Die Marktanteile von 7 Prozent der Personenverkehrs- bzw. 15 Prozent der Güterverkehrsleistung in Deutschland sind zu klein. Deshalb wird die Bundesregierung durch eine bahnorientierte Verkehrspolitik und ein großes Engagement als Eigentümer der Bahn ein starkes Wachstum der Bahn im Schienenverkehr ermöglichen: Sie setzt sich folgende Ziele für ein innovatives Bahnsystem:
- Zumindest jeder Siedlungsbereich mit mindestens 5000 EinwohnerInnen wird im Schienenpersonennahverkehr mindestens stündlich, in dicht besiedelten Regionen halbstündlich bedient.
- Jedes Oberzentrum und Mittelzentrum wird im Schienenpersonenfernverkehr mindestens stündlich, bei großen Städten und auf dicht besiedelten Achsen auch halbstündlich, bedient. Dem Fernverkehr dienen vertaktete IC/EC- bzw. ICE- und InterRegio-Angebote.
- Die Reisezeiten im Personenverkehr werden durch integrale Taktfahrpläne minimiert und durch ein flächendeckendes Fahrplansystem ergänzt.
- Strecken und Bahnhöfe werden bedarfsgerecht und barrierefrei ausgebaut, bei Bedarf werden stillgelegte Strecken und Bahnhöfe reaktiviert und Netzlücken durch Neubau beseitigt. Der flächendeckende Systemausbau erhält Vorrang vor Großprojekten und Hochgeschwindigkeitsstrecken.
- Im Güterverkehr werden Gleisanschlüsse wieder hergestellt bzw. eingerichtet, um Güter in breitem Maße von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Das System der Güterverkehrszentren und die Anlagen für den kombinierten Verkehr wird ausgebaut.
- Der Schienen-Güterverkehr wird durch staatliche Lenkungsmaßnahmen (wie z.B. in der Schweiz) angemessen unterstützt.
2. Strategische Ausrichtung – Steuerung – Kontrolle
Die Bahnorganisation wird diesem Auftrag angepasst. Der Aufsichtsrat (AR) wird neu konstituiert: Die Bundesregierung bestimmt eine Vertretung des Verkehrsministers und weitere Vertretungen aus den Bahn-affinen Verbänden, z.B. Pro Bahn, VCD, Bahn für Alle. Zusammen mit den ArbeitnehmerInnen-Vertretungen wird der AR damit kompetent, die strategische Ausrichtung, Steuerung und Kontrolle der DB AG im Sinne der verkehrspolitischen Ziele “mehr Verkehr auf die Schiene” und “effizienter Einsatz der Bundesmittel” zu leisten. Der Aufsichtsrat erhält dazu einen Kreis von MitarbeiterInnen und wird durch angemessene Ressourcen in die Lage versetzt, die Verantwortlichkeiten effektiv wahrzunehmen.
Der Bund veranlasst, dass die DB die Planungen für alle Projekte fristgerecht durchführt und die bereit gestellten Bundesmittel fristgerecht in Baumaßnahmen investiert. Die Verteilung der Mittel erfolgt regional ausgewogen mit dem Ziel einer angemessenen Systemqualität im ganzen Land.
3. Sinnvolle „organische“ Expansion statt „Welteroberung“
Die Deutsche Bahn konzentriert sich als demokratisch kontrolliertes Unternehmen der öffentlichen Daseinsvorsorge auf den deutschen Verkehrsmarkt. Sie beendet ihre Politik der Streckenstilllegungen und Bahnhofsschließungen. Und sie beendet ihre global angelegten Aufkäufe von Speditionen, Logistikzentren, Häfen usw., um damit hohe unternehmerische Risiken und finanzielle Entzugseffekte zu vermeiden.
Den europäischen Verkehrsverflechtungen trägt sie durch angemessene Kooperationen mit den Nachbarbahnen und Forcierung einheitlicher technisch-logistischer und juristischer Standards Rechnung. Um die besonders wichtigen Märkte der grenzüberschreitenden Nahverkehre zu erschließen, baut sie in Kooperation mit den Nachbarbahnen und mit Mitteln der EU für die kleinen Transeuropäischen Netze grenzüberschreitende Nahverkehrs- und InterRegio-Netze im Personen- und Güterverkehr auf.
4. Statt Abbau: Innovationen und mehr Arbeitsplätze
Die letzten größeren Innovationen der DB (ICE, Neigezüge, Doppelstockfahrzeuge, Reisezentren, Servicepoints, BahnCard, Huckepackzüge, Containerverkehre) stammen alle noch aus der Zeit der „Bundesbahn“. Es ist längst an der Zeit, dass nach nunmehr 12 Jahren die DB AG eigene Innovationen schafft, um weitere Märkte zu erschließen: Neue IR-Züge, kundenspezifische Fahrzeugausstattungen, neue Techniken für flächendeckende Güterverkehre; Generalabonnements für alle öffentlichen Verkehre; spezielle Service- und Tarifangebote für Eltern mit Kindern, Jugendliche, Senioren etc. Umfassende Kampagnen und flächendeckende Fahrgast-Information verbessern die Marktposition der Bahn grundlegend und schaffen neue Arbeitsplätze.
5. Gewinnung von Investitionsmitteln
Der Bund sichert der Bahn zu, dass sämtliche Gewinne im Unternehmen verbleiben und investiert werden, um die Zukunftsfähigkeit der Bahn zu erhalten und zu stärken. Zusätzlich stellt der Bund genügend Mittel für Neubau, Ausbau und Erhaltung des Netzes zur Verfügung und passt diese dem Bedarf an. Er veranlasst, dass die DB Planungen fristgerecht leistet und die Ausbauvorhaben durchführt, auch wenn dadurch keine Steigerung des Unternehmensgewinns erwartet werden kann. Im Rahmen der Verkehrswegeplanung setzt der Bund klare Prioritäten für den Ausbau der Bahn. Der Bund sichert die ausgewogene Verteilung und ausschließlich bahnfixierte Verwendung der Finanzmittel Spielräume für Aus- und Neubau, Modernisierung und Erhaltung des Bahnsystems. Die bisher geplanten Bundesmittel für Groß-Neubauvorhaben werden umgewidmet, um dafür sinnvolle und wirtschaftliche Alternativen zu verwirklichen. Außerdem können BahnkundInnen mit der Finanzierung von Anleihen oder Fonds weitere Investitionsmittel aufbringen.
6. Bessere Dienstleistungsqualitäten
Die Bahn schafft eine nachhaltige, serviceorientierte Fahrgastpolitik. Die MitarbeiterInnen werden aktiv in eine darauf ausgerichtete Unternehmenskultur einbezogen. Gerade im Dienstleistungsbereich gilt: Die Qualität der Arbeit bestimmt die Qualität der Dienstleistung. Die innere Organisation und ihr fachliches Knowhow sind konsequent auf diese Ziele auszurichten. Die DB sucht den Dialog mit der Öffentlichkeit, fördert Teamarbeit, baut Hierarchien ab und bezieht Länder, Regionen und Kommunen angemessen in die strategische Konzeptentwicklung und Angebotsplanung ein. Sie konzentriert ihre Anstrengungen auf eine verbesserte Systemqualität im ganzen Land. Damit trägt sie den differenzierten Mobilitätsbedürfnissen der Menschen und der Wirtschaft Rechnung, bindet Stammkunden und vervielfacht ihre Marktanteile. Der Erfolg steigert die Motivation der MitarbeiterInnen für qualifizierte Mobilitätsdienstleistung. Die Bahn pflegt eine moderne Reisekultur, verbessert ihre Serviceangebote wie Zuggastronomie, Schlafwagen, Kinder- und Ruheabteile, Gepäckservice und Fahrradtransport und pflegt faire Kooperationen mit allen anderen Bahnunternehmen und öffentlichen Verkehren in Deutschland und Europa.
7. Beitrag zur Zukunftsfähigkeit unseres Landes
Die Bahn wird durch eine solche Politik mit Hilfe des Eigentümers Bund wieder zu einem primären Verkehrsmittel in Deutschland und schafft es, ihren energie-, klima- und umweltpolitischen Auftrag und Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung aller Regionen in Deutschland zu leisten. Die Bundesregierung präzisiert diese Ziele in klaren und messbaren Vorgaben und kontrolliert deren Einhaltung. Die Bahn wird wieder zum Grundgerüst der Siedlungsentwicklung und sichert nachhaltige und gleichwertige Mobilität für alle und überall. Sie behält das nötige Eigentum an Grund und Boden und geht damit verantwortlich im Sinne der verkehrlichen Zweckbindung um. Sie beteiligt sich nicht an Bodenspekulation und ist ein verlässlicher Partner der Städte und Regionen in allen Fragen der Verkehrs-, Stadt- und Regionalentwicklung. Mit diesem hohen umwelt- und klimapolitischen Engagement wird die Deutsche Bahn zum Vorbild moderner, nachhaltiger Mobilitätskultur auf der ganzen Welt. Die Bahn ist damit – statt den Gewinninteressen von Investoren zu dienen – eine wesentliche Basis für die zukunftsorientierte Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland.