Konkurrenz zur Schiene bekommt bei Bahn das Sagen

Das Bündnis „Bahn für alle“ protestiert gegen die Entscheidung der Bundesregierung, den Auto-, Flugzeug- und Rüstungsmann Rüdiger Grube zum neuen Bahnchef zu küren. Mit der Bestimmung des Daimler- und EADS-Verantwortlichen werde erneut dafür gesorgt, dass die Konkurrenz zur Schiene bei der Bahn das Sagen hat. Gleichzeitig drohe eine Fortsetzung der fatalen Orientierung auf weltweite Expansion.

„Erneut wird jemand, der von Bahn keinerlei Ahnung hat, Bahnchef. Und erneut wird jemand aus Bereichen, die mit dem Schienenverkehr direkt konkurrieren, Spitzenmann bei der Bahn“, sagte Winfried Wolf, Sprecher der Bahnfachleutegruppe „Bürgerbahn statt Börsenbahn“ (BsB), Mitglied bei „Bahn für alle“. Er sehe hier eine Kontinuität, seitdem Anfang der 1990er Jahre Heinz Dürr, damals ebenfalls Daimler-Vorstand und Eigentümer eines großen Autozulieferers, Bahnchef wurde. Hartmut Mehdorn war vor seiner Tätigkeit als Bahnchef ebenfalls durch seine Jahrzehnte lange Tätigkeit im Flugzeugbau und der Autoindustrie geprägt. Unter Bahnchef Mehdorn rückte rund ein Dutzend ehemals führender Manager aus den Bereichen Rüstung, Autoindustrie und Luftfahrt in das Top-Management der Bahn. Unter anderem wurde 2002 das kontraproduktive neue Tarifsystem PEP direkt aus dem Luftfahrtsektor übernommen – was der ehemalige Lufthansa-Mann Christoph Franz zu verantworten hatte.

„Solche personellen Kontinuitäten könnte man ja als Zufall abtun, aber sie bringen das konkrete Unternehmenskonzept der Bahn doch personalisiert auf den Punkt“, sagte Hans-Gerd Öfinger, aktiv bei „Bahn von unten“, ebenfalls Bündnispartner bei „Bahn für alle“. Öfinger verwies darauf, dass die Konzentration auf Hochgeschwindigkeitsstrecken bei einem gleichzeitigen systematischen Abbau der Bahn in der Fläche (Abschaffung des Inter-Regio) und Weltmarktexpansion die Schiene strukturell schwächte und damit die Interessen des Flug- und Autoverkehrs bediente.

Grube habe als Strategie-Chef und Schrempp-Intimus bei Daimler für die Weltkonzern-Orientierung mit Chrysler und Mitsubishi als Neuerwerbungen gestanden. Dieses Konzept sei grandios gescheitert. Mehdorn habe bei der Bahn eine vergleichbar fatale Strategie verfolgt – unter anderem. mit den Neuwerbungen Bax Global (USA), Interfesa (Spanien) und EWS (Großbritannien). Grube dürfte diese Orientierung fortsetzen. Dabei gebe es in diesen Bereichen in der aktuellen Weltwirtschaftskrise massive Einbrüche.

Schließlich befürchtet „Bahn für alle“, dass es mit einem neuen Bahnchef eine fatale Schlussstrichmentalität in Sachen Bespitzelung geben könnte. „Wir verlangen die vorbehaltlose Aufklärung des Skandals“, sagte Winfried Wolf. „Schließlich zeigen die jüngsten Enthüllungen: Die Bahnspitze ließ die Belegschaft und kritische Bahnexperten flächendeckend bespitzeln, um die Kritik an der Privatisierung der Bahn auszuschalten.“ Letzten Endes habe Mehdorn gehen müssen, weil die Bahnprivatisierung – bisher – scheiterte. Eine uneingeschränkte Aufdeckung des Skandals werde deutlich machen, wie die Bahnspitze systematisch versuchte, die öffentliche Meinung zu Gunsten einer Bahnprivatisierung zu gewinnen. Die Bahnspitze habe verdecken wollen, dass mehr als 75 Prozent der Bürgerinnen und Bürger eine Bahn in öffentlichem Eigentum fordern.