Update zur Aktionsmail: Hilfe für die Berliner S-Bahn
Update zur Aktionsmail: Hilfe für die Berliner S-Bahn
Am 26. Januar hatten wir dazu aufgerufen, der Berliner Politik E-Mails mit der Forderung nach einem Stopp der Ausschreibung der S-Bahn Berlin zu schreiben (Aktionsmail siehe hier). Die Ausschreibung kann zu einer Privatisierung und Zerschlagung des Verkehrsträgers führen. Viele Menschen sind offenbar unserem Aufruf gefolgt, vielen Dank für euren und Ihren Einsatz!
Inzwischen sind drei Antworten eingegangen. Wir dokumentieren die Antworten und geben Argumente an, wo wir der Auffassung sind, dass Unrichtiges behauptet wird oder die eigentliche Aussage noch aussteht. Diese Bausteine dürfen und sollen Sie gern für weiteren Schriftverkehr verwenden, E-Mail-Adressen et ceterea sind der oben bereits erwähnten Aktionsmail zu entnehmen!
1. Antwort von Kai Wegner, CDU
Sehr geehrte Damen und Herren,
vielen Dank für Ihr Schreiben, in dem Sie sich wegen der S-Bahnausschreibung an mich wenden. In den letzten Tagen haben mich viele Bürgerinnen und Bürger in dieser Angelegenheit kontaktiert, das zeigt die Bedeutung des Anliegens. Aufgrund der großen Anzahl von Anfragen erhalten Sie von mir eine allgemeine Antwort.
Wir als CDU teilen Ihre Bedenken und Sorgen hinsichtlich der vom SPD-Grünen-Linken-Senat konzipierten S-Bahnausschreibung für die Teilnetze 2 und 3. Wir kritisieren das Konzept schon seit 2 Jahren. Die Ausschreibung ist viel zu umständlich, kleinteilig und langwierig. Zudem birgt sie die Gefahr der S-Bahnnetz-Zerschlagung.
Mit dieser Ausschreibung drohen viele ineffiziente Strukturen zwischen den Akteuren zu entstehen. Dies gilt insbesondere im Betrieb und der Instandhaltung der verschiedenen Teilnetze sowie der Infrastruktur und im Verhältnis mit dem Verkehrsverbund. Das Land Berlin sollte seinen Einfluss, auch mit Blick auf das Mobilitätsinteresse der Berliner und die Nachhaltigkeit unserer Stadt, nicht aus der Hand geben. Darüber hinaus droht eine „Zerstörung“ des bestehenden einheitlichen Berlin-Brandenburger S-Bahnnetzes.
Weiterhin besteht aus unserer Sicht die begründete Gefahr der Entlassung tausender Mitarbeiter. Aufgrund der befristeten Ausschreibungsdauer besteht für die Mitarbeiter keine langfristige Beschäftigungsperspektive, was zu einem Fachkräftemangel, insbesondere im Fahrdienst, führen könnte. Es ist zu befürchten, dass sich die Arbeitsbedingungen durch Tarifflucht, massiver Erschwerung zur Durchsetzung gewerkschaftlicher Rechte sowie diverser Möglichkeiten zum Aufbau von Subunternehmerpyramiden deutlich verschlechtern.
Aus den genannten Gründen muss intensiv geprüft werden, ob und wie die aus grüner Hand mit Billigung der SPD entstandene S-Bahnausschreibung gestoppt und die S-Bahn in einer Hand bleiben kann. Das Einheitsnetz der S-Bahn Berlin GmbH und die S-Bahn Berlin müsen erhalten werden. Die CDU Berlin steht fest an der Seite der Beschäftigten.
Mit den besten Grüßen
Kai Wegner
Die CDU Berlin ist aus der Wahlwiederholung als mit Abstand stärkste Partei hervorgegangen. Intensiv prüfen, wie „die S-Bahnausschreibung gestoppt und die S-Bahn in einer Hand bleiben kann“ – das muss unbedingt in die Verhandlungen rein. Schliesslich gibt es Gründe, warum die Rot-Grün-Rote Regierung so abgestraft wurde. Der versuch der S-Bahnprivatisierung könnte dazugehören …
2. Antwort der Senatskanzlei (Franziska Giffey)
… vielen Dank für Ihre Nachricht vom 27. Januar 2023, die in der Bürgerberatung der Regierenden Bürgermeisterin eingegangen ist und mir zur Beantwortung übergeben wurde.
Ihre Befürchtungen bzgl. einer möglichen „Zerschlagung“ der Berliner S-Bahn und Nachteile für die Beschäftigten durch „Lohndumping“ sind durchaus nachvollziehbar, jedoch unbegründet.
Die zu erwartenden Nachteile haben wir umfangreich begründet.
Grundsätzlich gilt, dass die Länder Berlin und Brandenburg rechtlich verpflichtet sind, Leistungen des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) wettbewerblich auszuschreiben.
Dies gilt nur, wenn Berlin nicht direkt vergeben möchte. Juristische Wege dazu wurden von uns aufgezeigt (bestimmende Einflussnahme zum Beispiel durch Kauf der Mehrheit der Anteile).
Aus der europarechtskonformen Vergabe im Wettbewerb leiten sich rechtliche Anforderungen ab, wie das Erfordernis einer Losteilung.
Diese Ableitung ist strittig. Sie lässt sich bestenfalls mit der Absicht einer mittelstandsfreundlichen Konfiguration der Ausschreibung erklären – die jedoch durch die konkrete Ausschreibung nicht gewährleistet wird. Man hätte also auch in einem Stück ausschreiben können.
Für die Betriebsleistungen auf den Teilnetzen „Nord-Süd“ und „Stadtbahn“ sind daher zwei Fachlose vorgesehen, bei denen im Ergebnis des Vergabeverfahrens theoretisch zwei verschiedene Bieter den Zuschlag erhalten können. Dass die Bildung von Teillosen zwingend zu einer Zerteilung des Betriebs führt, ist im Übrigen nicht ausgemacht. Es ist gerade die Besonderheit des vom Senat beschlossenen Kombinationsverfahrens, dass die Abgabe eines Gesamtangebots möglich ist.
Das Gesamtangebot lässt allerdings die Ringbahn außen vor. Außerdem: Wozu alles, wenn man das doch nicht möchte? Man könnte es gleich so gestalten, dass die Struktur den tatsächlichen Anforderungen von Berlin und Brandenburg entspricht.
Soweit die daraus folgenden Synergieeffekte sich in einem wirtschaftlicheren Angebot wiederfinden, wird sich das Gesamtangebot im Wettbewerb durchsetzen.
Diese Wirtschaftlichkeit findet nur auf der Ebene der Bieter statt, ist also betriebswirtschaftlich. Volkswirtschaftlich ist die Trennung in jedem Fall nachteilig.
Sofern im Ergebnis des Vergabeverfahrens mehrere Unternehmen mit der Erbringung der ausgeschriebenen Leistungen beauftragt werden, sehen die die zur Vergabe anstehenden Verträge umfassende netzübergreifende Leistungs- und Kooperationspflichten der beauftragten Unternehmen vor, die möglichen Koordinationsproblemen vorbeugen.
Die Leistungs- und Kooperationspflichten gab es auch bei der Abelliopleite und bei der Londoner Metro. Sie haben das Chaos im Nachgang der jeweiligen Privatisierung nicht verhindert.
Anders als von Ihnen vermutet, wird die Berliner S-Bahn mit der aktuellen Ausschreibung nicht privatisiert.
Das ist nicht richtig. Der Betrieb wird funktional privatisiert: Private erhalten die Konzession. Die Beschaffung und die Wartung wird materiell privatisiert. Die Finanzierung wird privatisiert (private Kredite privater Bieter, gedeckt durch einen Schattenhaushalt, statt transparenter öffentlicher Schulden).
Die S-Bahn Fahrzeuge selbst wurden schon immer durch Private hergestellt und geliefert. Die Konstruktion und Lieferung der künftigen Neufahrzeuge durch private Hersteller ist auch in der aktuellen Ausschreibung vorgesehen. Diese „Partnerschaft“ mit der privaten Bahnindustrie ist insoweit unerlässlich, da nur diese Hersteller das technische Know-how zur Konzeption und Herstellung von komplexen S-Bahn-Fahrzeugen verfügen.
Entscheidend ist für die Privatisierung, wem die Wagen im Anschluss gehören, nicht wer sie baut. Wenn sie Privaten gehören, und das ist durch die Ausschreibung möglich, dann ist es eine Privatisierung.
Diese besondere Expertise gilt auch für die Instandhaltung und den Betrieb der S-Bahn Fahrzeuge. Aktuell erfolgt dies durch die S-Bahn Berlin GmbH, ein privatwirtschaftlich verfasstes und gewinnorientiertes Unternehmen, das im mittelbaren Eigentum der Bundesrepublik Deutschland steht.
Die S-Bahn Berlin GmbH ist formell privat, aber nicht materiell. Die neuen Bieter können auch materiell private Unternehmen sein oder Beteiligung von Finanzinvestoren wie Black Rock aufweisen.
Gewinne des Betreibers kommen nicht dem Land Berlin, sondern der Deutschen Bahn AG, bzw. dem Bund zu Gute. Seit 2015 fließen jedes Jahr ca. 50 Millionen Euro Gewinn für den Betrieb der S-Bahn an den Bahnkonzern. Insofern ist die Privatisierung der Berliner S-Bahn ein Ergebnis der Bahnreform der 1990-er Jahre und keine Folge der aktuellen Vergabeverfahren der Länder.
Wenn diese Gewinnabflüsse künftig an Berlin statt an den Bund oder ein bundeseigenes Unternehmen fliessen sollen, dann helfen weitere, dann auch materiell private Bieter gar nicht. Dann muss man die S-Bahn Berlin GmbH eben kaufen.
Ihr Vorschlag, dass das Land Berlin zumindest Mehrheitseigentümer der S-Bahn Berlin GmbH werden sollte, ist kein realistisches Szenario. Das Land Berlin hat ein solches Anliegen in der Vergangenheit wiederholt an den Bund bzw. die Deutsche Bahn AG adressiert.
Das Szenario ist durchaus realistisch. Fast jede Rekommunalisierung stößt zunächst auf Widerstand der Alteigentümer. Diese Vorbehalte können ausgeräumt werden, und das ist in der Geschichte oft genug passiert, in Berlin zuletzt bei den Wasserbetrieben.
Auch aktuell gibt es weder von der Deutschen Bahn AG noch vom Bund als alleinigem Eigentümer Signale, dass sich die seit langem bekannte, ablehnenden Haltung geändert hätte und auch nur in Erwägung gezogen würde, dass sich der Bahnkonzern mit der S-Bahn Berlin GmbH von einem hoch renditeträchtigen Teil ihres Kerngeschäfts trennt.
Es ist Aufgabe der Regierung, solche Signale abzufragen und attraktive Angebote zu machen. Im Übrigen können Berlin und Brandenburg unangemessene Renditen aus einem nachteiligem Privatisierungsvertrag kaum durch weitere derartige Verträge verhindern.
Bei der Ausschreibung legen die Länder Berlin und Brandenburg auf die Wahrung der Sozialstandards einen hohen Stellenwert.
Auch der höchste vorherige Stellenwert von Standards in einer Ausschreibung wird im Zuge einer späteren Insolvenz zunichte gemacht.
Deshalb sehen die Vertragsunterlagen hinsichtlich des Arbeitnehmerschutzes umfangreiche Tariftreueverpflichtungen vor. Mit Regelungen, die bundesweit einzigartig sind, sorgen die Länder dafür, dass der Wettbewerb für die künftige Leistungserbringung nicht zulasten der Beschäftigten geht.
Das sind völlig unbelegte Behauptungen, leider.
Die Vertragsunterlagen enthalten sowohl für das mit der Durchführung der eigentlichen Verkehrsdienstleistungen als auch für das technische Werkstattpersonal eine Personalübernahmeverpflichtung. Ein eventueller neuer Betreiber wird das für die Durchführung der von ihm geschuldeten Leistungen unmittelbar erforderliche Personal übernehmen müssen. Zudem enthalten die Vertragsunterlagen eine verpflichtende Auszubildendenquote. Soziale Zusagen sind außerdem noch wertungsrelevant. Im Ergebnis ist das anstehende Vergabeverfahren auf eine Art und Weise sozialverträglich ausgestaltet, wie es in Deutschland noch nicht praktiziert worden ist.
Diese vorgeblichen Superlative können nicht beeindrucken. Milliardenschwere Verträge im Bereich der Daseinsvorsorge haben ihre Grenze, wo die Unternehmen auf das haftende Eigenkapital beschränkt sind. Nicht die Ausprägung der Verträge macht sie so kritikwürdig, sondern dass der Gegegstand – die Daseinsvorsorge und der Klimaschutz – über Verträge dieser Art grundsätzlich nicht befriedigend gesteuert und kontrolliert werden können.
Vor dem Hintergrund dieser Aspekte zielt die aktuelle S-Bahn-Ausschreibung darauf ab, den Betrieb und die Instandhaltung der Berliner S-Bahn als Eckpfeiler eines ökologischen ÖPNV unter Rückgriff auf die erforderliche Expertise privatwirtschaftlich verfasster Bahnunternehmen langfristig zu stärken – und dies unter Zugrundelegung anspruchsvoller Sozialstandards, hoher Qualitätsanforderungen an Beschaffung, Betrieb und Instandhaltung sowie umfassender Umweltstandards.
Worauf abgezielt wird, ist für die betroffenen Menschen nicht ausreichend, wenn es mit den gewählten Mitteln nicht erreichbar ist.
Die Länder wollen im Wege der wettbewerblichen Ausschreibung erreichen, dass sie für diese Leistungen gute Angebote zu angemessenen Preisen erhalten. Nur so wird das S-Bahn-Angebot und die dringend erforderlichen Mehrleistungen und Kapazitätserhöhungen auch in den kommenden Jahrzehnten aus den Landeshaushalten finanzierbar sein.
Was die angemessenen Kosten betrifft, so wäre eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung erforderlich, um die Behauptung etwas zu substantiieren. Dabei ist unbedingt die volkswirtschaftliche Betrachtung heranzuziehen. Dort fließen auch Insolvenzen ein und sind mit einem entsprechenden Risikoaufschlag zu bewerten, ebenso wie andere Risiken, die allein in dem gewählten Ausschreibungsmodell vorkommen, nicht jedoch bei einer öffentlichen Erbringung. Derzeit scheint allein das Risiko von Zinsanstiegen in den Refinanzierungskonstrukten der privaten Bieter ausreichend – ganz ohne weitere Risikoaufschläge – um die Unwirtschaftlichkeit der Ausschreibung zu belegen.
3. Antwort von Klaus Lederer, Bürgermeister von Berlin sowie Senator für Kultur und Europa
… vielen Dank für Ihre Mail zur S-Bahn-Ausschreibung. DIE LINKE tritt für die Kommunalisierung der Berliner S-Bahn ein, auch um auf Ausschreibungen der S-Bahn-Leistungen verzichten zu können und einen einheitlichen S-Bahn-Betrieb zu gewährleisten. Denn der öffentliche Nahverkehr in Berlin gehört zur Daseinsvorsorge. Wenn die S-Bahn in kommunaler Hand ist, hat das Land Berlin endlich mehr Gestaltungsmöglichkeiten sowie direkten Einfluss auf die Geschäftspolitik, auf Investitionen und Instandhaltung u.a. um eine S-Bahn-Krise wie 2009 zu verhindern. Außerdem könnten die Gewinne der S-Bahn für einen besseren Verkehr in Berlin verwendet werden, statt in die Kassen der DB AG oder privater Unternehmen abzufließen. Wir lehnten und lehnen die Aufspaltung der S-Bahn und die Schaffung zusätzlicher Schnittstellen ab. Insofern teilen wir Ihre prinzipielle Kritik an der Ausschreibung, da bei Ausschreibungen immer die Gefahr einer Privatisierung von Teilen des Berliner S-Bahn-Betriebs verbunden ist.
Um jedoch auf eine Ausschreibung verzichten zu können, braucht es einen direktvergabefähigen Betrieb, den wir in Berlin aktuell nicht haben. Auch eine Direktvergabe an die S-Bahn-Berlin GmbH ist aufgrund des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen nicht möglich, solange das Land nicht beherrschende Eigentümerin ist. Es gibt also drei Möglichkeiten, auf Ausschreibungen der Berliner S-Bahn verzichten zu können:
– Den Kauf der S-Bahn Berlin GmbH, so dass der Betrieb direkt an die S-Bahn Berlin GmH vergeben werden kann. Bislang waren die DB und der Bund nicht zu einem Verkauf bereit. Wir erwarten vom Senat, dass er entsprechend der Koalitionsvereinbarung in Gespräche zum Kauf der Berliner S-Bahn eintritt. Aktuell befinden sich hierzu die Senatsverwaltung für Mobilität und die Senatsverwaltung für Finanzen in Gesprächen, um das Vorgehen zu koordinieren. Ein Kernpunkt ist hier die Wirtschaftlichkeitsprüfung, die laut Landeshaushaltsordnung vorgesehen ist bei Unternehmensbeteiligungen. Diesen Weg beschreitet der Senat mit Priorität.
– Den Aufbau eines landeseigenen Eisenbahnverkehrsunternehmens (EVU), das von dem Land direkt mit dem Betrieb der S-Bahn beauftragt werden kann. Aufgrund der Komplexität und Anforderungen an ein leistungsfähiges EVU und da der Senat nicht über eigene personelle und fachliche Kompetenzen für einen solchen Unternehmensaufbau verfügt, muss ein entsprechendes Konzept inklusive Wirtschaftlichkeitsprüfung extern vergeben werden, um auf dieser Basis einen Fahrplan einschließlich personeller Anforderungen auf Verwaltungsebene zu erstellen. Für den organisatorischen Umsetzungs- und Aufbauprozess geht der Senat aktuell von einem Zeitraum von 8-10 Jahren aus.
– Die Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), das eine Direktvergabe an die S-Bahn Berlin GmbH verhindert. Hierzu bereitet der Senat eine Bundesratsinitiative im Rahmen der 2023 geplanten 12. Novelle des GWB vor. Ziel wird sein, alle in Artikel 5 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 und EWG Nr. 1107/70 des Rates (VO (EG) Nr. 1370/2007) vorgesehenen Möglichkeiten der Direktvergabe über Personenverkehrsleistungen im Eisenbahnverkehr auch im nationalen Vergaberecht anwenden zu können. Nach der VO (EG) Nr. 1370/2007 können einige der dort vorgesehenen Arten der Direktvergabe durch nationales Recht ausgenommen werden. Von dieser Möglichkeit hatte Deutschland Gebrauch gemacht.DIE LINKE verfolgt alle drei Wege und konnte diese in der letzten Koalitionsvereinbarung verankern. Der Kauf der S-Bahn durch das Land wäre die beste Variante, auch da dann die Einheit des S-Bahn-Betriebs erhalten bleiben könnte. Allerdings ist die einzige Variante, die alleine in der Hand des Landes Berlin liegt, der Aufbau eines eigenen Eisenbahnverkehrsunternehmens. Dieses braucht aber Zeit und würde zu einer getrennten Vergabe von Fahrzeugbeschaffung und Betrieb führen, was ungleich größere Risiken einer Privatisierung und Zerschlagung des S-Bahn-Systems mit sich brächte.
Ein Abbruch der Ausschreibung des Betriebs führt daher nur weiter, wenn es gelingt, kurzfristig die genannten Ausgangsbedingungen (z.B. durch Kauf der S-Bahn oder Änderung des GWB) zu ändern. Aktuell ist dies nicht absehbar, wir verfolgen aber alle drei Wege weiter.
Solange eine Ausschreibung erfolgen muss, sind wesentliche Ziele von uns in dem laufenden Ausschreibungsverfahren die Vermeidung von Schnittstellen und der Zerschlagung des Gesamtsystems sowie die Absicherung der Beschäftigten. Wir konnten sowohl die von der Grünen Verkehrsverwaltung beabsichtigte getrennte Ausschreibung der beiden Teilnetze und von Fahrzeugbeschaffung und Instandhaltung sowie einer Loslimitierung verhindern, so dass ein Gesamtangebot für beide Teilnetze inklusive Fahrzeugbeschaffung und Instandhaltung möglich ist. Auch konnte die verpflichtende Vorgabe eines anderen Werkstattstandorts verhindert werden, was das Aus für bestehende Werkstattstandorte bedeutet und einen Vorteil für private Bieter geschaffen hätte. Für die Beschäftigten der S-Bahn und der Werkstätten konnten wir umfangreiche Übernahmeverpflichtungen sowie die Bindung an repräsentative Tarifverträge und soziale Kriterien bei der Angebotsbewertung, beispielsweise Urlaubsdauer und Ausbildungsquote, erreichen. Auch ein Fahrzeugangebot auf Grundlage der Standards der Ring-Ausschreibung ist möglich.
Die Schaffung eines kommunalen Fahrzeugparks ist eine langjährige Forderung der Berliner LINKEN, auch nach den Erfahrungen der S-Bahn-Krise 2009. Es kann also ein Schritt in Richtung Kommunalisierung sein. Die Wagen gehören der landeseigenen Fahrzeuggesellschaft. Für die Wartung und Instandhaltung der Fahrzeuge wird ein langfristiger Vertrag abgeschlossen. Die Fahrzeuge werden dem künftigen Betreiber, egal ob landeseigen, bundeseigen (S-Bahn-Berlin GmbH) oder privat, für die Verkehrsleistungen zur Verfügung gestellt. Erst landeseigene Fahrzeuge schaffen die Möglichkeit der Direktvergabe an ein landeseigenes Unternehmen und damit des Verzichts auf Ausschreibungen.
Antworten auf verschiedene Fragen, auch zu anderen von Ihnen angesprochenen Punkten im Zusammenhang mit der S-Bahn-Ausschreibung finden sie auch in den FAQ des Landesverbandes der LINKEN unter folgendem Link: https://dielinke.berlin/s-bahn-faq/.Mit freundlichen Grüßen
Klaus Lederer
Sehr geehrter Herr Lederer,
danke für Ihre Antwort. Sie nennen drei Gründe, weswegen die aktuelle Ausschreibung schlecht ist, sowie zugehörige Alternativen, die Sie angeblich verfolgen.
Tatsächlich ist jedoch das einzige, was sichtbar von der Berliner Landesregierung, also auch von Ihnen, verfolgt wird, die Ausschreibung, deren mögliches Ergebnis Sie laut Ihrer Aussage nicht wünschen. Ihre Aussagen sind vor diesem Hintergrund nicht glaubwürdig.
Dass eine Gesamtvergabe (für zwei Drittel des Netzes, was auch schon eine Teilung mit schlimmen Folgen darstellt) möglich ist, ist anders als Sie es darstellen kein Erfolg. Zum einen können auch bei der Gesamtvergabe Private den Zuschlag bekommen. Das ist auch dann der Fall, wenn die DB die Ausschreibung gewinnt, da die DB sich für ihr Angebot zu einem Konsortium mit Privaten zusammengeschlossen hat. Und zum anderen sind auch in dieser Variante hunderte Millionen Euro teure Bauwerke nötig, die allein der Aufteilung dienen.
Sie sind Teil der aktuellen Landesregierung. Regierungen handeln. Wenn es durch das Handeln derRegierung mit Beteiligung der Linken in Berlin zu einer Privatisierung der S-Bahn kommt, dann werden die Menschen auch Ihnen das zuschreiben.
Davon abgesehen ist Wahlkampf. Die Menschen erwarten von der Politik öffentliche Positionierungen, auch ich. Den Kauf der S-Bahn Berlin GmbH können Sie persönlich öffentlich fordern, Geheimdiplomatie ist nicht nötig. Und Sie können die DB — ebenfalls öffentlich — auffordern, ein Angebot zu machen. Werden Sie es tun? Noch vor dem Sonntag?
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