Stuttgart 21 kostet fast zehn Milliarden Euro
Mindestens 9,8 Milliarden Euro würde das Projekt „Stuttgart 21“ kosten, wenn es – frühestens im Jahre 2024 – einmal fertig wäre. Dies sagt der renommierte Verkehrsberater Dr. Martin Vieregg in einem neuen Gutachten voraus. Zusätzliche Risiken und weitere Verzögerungen könnten diese Summe allerdings noch erhöhen.
Rund 50 Bürgerinnen und Bürger aus Stuttgart und Berlin nahmen die heutige Aufsichtsratssitzung der Deutschen Bahn AG zum Anlass, um mit Transparenten vor dem BahnTower für ein funktionierendes System Schiene und gegen Stuttgart 21 zu demonstrieren. Der Vorstand der Bahn hatte zuvor die Annahme des neuen Vieregg-Gutachtens verweigert. Auch Kirsten Lühmann, als Mitglied des Bundestages im Bahn-Aufsichtsrat, war nicht zur Entgegennahme vor der Sitzung des Kontrollgremiums bereit.
So standen Eisenhart von Loeper für das Aktionsbündnis und Monika Lege vom Bündnis „Bahn für Alle“ kurz davor, das brisante Dokument vor laufenden Kameras dem Pförtner des BahnTower in die Hand zu drücken. Diese mediale Blamage der Bahn verhinderte im letzten Moment Achim Stauß: Der Konzernsprecher trat vor die Tür, nahm das Gutachten entgegen und sicherte zu, es dem Vorstand und dem Aufsichtsrat vorzulegen.
Bereits im Jahre 2008 hatte die Vieregg-Rößler GmbH im Auftrag des BUND Baden-Württemberg und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Gemeinderat der Stadt Stuttgart für S 21 ein Kostenvolumen von mindestens 6,8 Milliarden Euro prognostiziert. Ihre damals von Bahn und Politik vehement bestrittenen Zahlen haben sich inzwischen voll bestätigt.
Weil die Bahn ihre ursprünglichen Bau- und Zeitpläne – etwa beim Grundwassermanagement, beim Brandschutz und beim Filderabschnitt – wegen gravierender Mängel korrigieren musste, haben das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 und die Schutzgemeinschaft Filder die Vieregg-Rößler GmbH im November 2015 mit einer erneuten Kostenprognose beauftragt. Deren Ergebnis wurde nun während einer Pressekonferenz am 16. Dezember in Berlin vorgestellt.
Demnach wird die Mitte der Bauzeit voraussichtlich erst zum Ende des Jahres 2018 und nicht – wie noch vor sieben Jahren ermittelt – schon im laufenden Jahr 2015 erreicht. Um mehr als 900 Millionen Euro teurer wird dem Gutachten zufolge allein das Bauwerk des Tiefbahnhofs. Hinzu kämen spürbar steigende Kosten auf den Fildern, vor allem für den Brandschutz im Flughafenbahnhof und für dessen Anbindung an die Neubaustrecke Ulm-Stuttgart. Zusätzliche Kosten verursache auch das „Dritte Gleis“, also der um einen eingleisigen Bahnhof für die Gäubahn erweiterte Filderabschnitt.
Damit sei eine grundsätzlich „neue Lage“ geschaffen, resümiert der Sprecher des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21, Rechtsanwalt Dr. Eisenhart von Loeper: „Der Ausstieg aus Stuttgart 21 ist jetzt unaufschiebbar!“ Dringend empfiehlt er einen Baustopp, „um ehrlich Inventur zu machen bei den Kosten“. Die schon 2013 von den Staatssekretären der Bundesregierung geforderte Ausstiegsdebatte sei nun angesichts der zweiten Kostenexplosion unvermeidlich. Im Ergebnis betont von Loeper: „Statt das Projekt durch Weiterbau mit größtmöglichem Schaden an die Wand zu fahren, muss un jetzt der Ausstieg gemeinsam gelingen.“
Anlässlich der Volksabstimmung am 27. November 2011 hatte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn AG, Rüdiger Grube, in Aussicht gestellt, bei Gesamtkosten von mehr als 4,5 Milliarden Euro „die Reißleine zu ziehen“. Nun aber werden die Kosten mehr als doppelt so hoch und erwischen den Bahnchef in einer schweren Konzernkrise.
Gescheitert sei, so Bernhard Knierim vom Bündnis „Bahn für Alle“, „die Konzernstrategie von Grube und seinem Vorgänger Mehdorn mit Zukäufen bahnfremder Logistiker im Ausland und einem Abbau der Eisenbahn in Deutschland“. Diese Strategie räche sich nun mit fast zwanzig Milliarden Euro neuen Schulden seit 1994 und einem Milliardendefizit in diesem Jahr“.
Hinterlasse einen Kommentar
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar schreiben zu können.