Sämtliche ICE-Achsen möglicherweise nicht dauerfest
Das Bündnis Bahn für Alle und die Grünen in Nordrhein-Westfalen dokumentierten heute auf einer gemeinsam ausgerichteten Pressekonferenz: Seit 2001 gab es Radsatzwellenbrüche an ICE, die die Bahn zu verschleiern versuchte. Die Belege dafür wurden von Bahntechnik-Experte Prof. Vatroslav Grubisic[1] präsentiert.
Seit Anfang 2006 dokumentierten Artikel in Fachzeitschriften, dass die ICE-3-Radsatzwellen nicht dauerfest sind. Die Belastungen, denen sie ausgesetzt sind, übersteigen das Maximum dessen, was die hierfür gültige Norm vorsieht. Die Radsatzwellen der französischen und der japanischen Hochgeschwindigkeitszüge sind deutlich stärker dimensioniert, obwohl sie geringeren Belastungen ausgesetzt sind (ausschließlich Fahrten im Hochgeschwindigkeitsnetz). Hinsichtlich des Unfalls am 9. Juli präsentieren die Veranstalter Belege, die auf einen Ermüdungsbruch hinweisen. Auch das deutet darauf hin, dass alle ICE-3-Radsatzwellen nicht dauerfest sind.
Die Veranstalter weisen auf den Skandal hin, dass es drei Monate nach dem Unfall noch immer weder von der Bahn noch von der Staatsanwaltschaft oder dem Eigentümer Bund eine klare Aussage über die Ursachen des Achsbruchs gibt. Dazu erklärt Carl Waßmuth vom Bündnis Bahn für Alle: „Warum wird die Veröffentlichung des seit Mitte Juli angekündigten Gutachtens immer wieder hinausgezögert? Es darf doch nicht sein, dass die Anfang. Juli gebrochene Radsatzwelle nun fast ein Vierteljahr bei einer Einrichtung unter Verschluss gehalten wird, die mittelbar der Bundesregierung untersteht.“
Die neuen Maßnahmen zur verschärften Kontrolle der ICE-3-Achsen basieren auf einer geheim gehaltenen Vereinbarung zwischen Bahnaufsicht (EBA) und DB AG. Winfried Wolf von der Bahnfachleutegruppe „Bürgerbahn statt Börsenbahn (BsB)“ dazu: „Für Mehdorn und die Bundesregierung gilt offensichtlich die Parole: Ruhe ist die erste Börsenpflicht. Nachrichten, die den Börsengang gefährden könnten, werden unterbunden. Überall – auch an der Sicherheit – wurde gespart, um die Bahnbilanz attraktiv für Investoren zu gestalten.“
Bahn für Alle, Horst Becker, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen im Landtag von NRW, und Professor Grubisic forderten auf der heutigen Pressekonferenz: „Im Interesse der Sicherheit und im Interesse der Fahrgäste muss die am 9. Juli in Köln geborstene Radsatzwelle für neutrale Fachleute zugänglich gemacht werden wie nach dem Unglück von Eschede.“ Der dort geborstene Radreifen, den Grubisic persönlich gefunden hatte, wurde im Fraunhofer Institut Fachleuten zugänglich gemacht. Vor allem auf diese Weise war es gelungen, die Ursache für dieses bisher schwerste Eisenbahnunglück zu ermitteln. Am 10. Juli nach dem ICE-3-Radsatzwellenbruch in Köln schrieb das EBA dazu: „Es drohte eine Katastrophe wie in Eschede.“
„Bahn für Alle“ ist ein Bündnis von 16 Organisationen aus Globalisierungskritikern, Umweltorganisationen, politischen Jugendverbänden und Gewerkschaften und setzt sich ein für eine verbesserte Bahn in öffentlicher Hand. Träger des Bündnisses sind Attac, Bahn von unten, BUND, Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz, Bürgerbahn statt Börsenbahn, Grüne Jugend, Grüne Liga, IG Metall, Jusos in der SPD, Linksjugend Solid, NaturFreunde Deutschlands, Robin Wood, Sozialistische Jugend Deutschlands – Die Falken, Umkehr, VCD Brandenburg und Verdi.
Für Rückfragen:
- Winfried Wolf (Bahnexpertengruppe „Bürgerbahn statt Börsenbahn“), Telefon 0177 / 67 24 43 77
- Carl Waßmuth (Attac), Telefon 0179 / 772 43 34
[1] Prof. Vatroslav Grubisic war bis 1986 stellvertretender Direktor des Darmstädter Fraunhofer-Institutes für Betriebsfestigkeit, bis 1996 dort Leiter der Abteilung Spannungsanalyse und Festigkeitsbeurteilung. Auch wegen seiner zahlreichen Veröffentlichung zu Radsatzwellen wird er von Fachkollegen als „Räder-Papst“ bezeichnet. Grubisic ist mittlerweile international als Hochschullehrer tätig, so zum Beispiel in Split und Zagreb (Kroatien), Hefei (China) und Padua (Italien).
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