PR-Skandal der Bahn war Reaktion auf Kampagne von „Bahn für Alle“

Die von der Nichtregierungsorganisation LobbyControl nachgewiesene verdeckte PR-Arbeit der Deutschen Bahn ist dem Bündnis „Bahn für alle“ zufolge als direkte Reaktion auf dessen Kampagne gegen die Bahnprivatisierung zu sehen. „Die jetzt bekannt gewordenen infamen PR-Praktiken der Bahn bestätigen einen lang gehegten Verdacht unseres Bündnisses: Die Bahn hat auf Kosten der Steuerzahler systematisch die öffentliche Meinung manipuliert, um die Bundesregierung und den Bundestag privatisierungsfreundlich zu stimmen und gegen den Willen der Bevölkerung den Ausverkauf des größten noch verbliebenen öffentlichen Eigentums in Deutschland durchzusetzen“, sagte Carl Waßmuth von Attac, einem der Bündnispartner von „Bahn für alle“.

„Bahn für Alle“ hatte die Öffentlichkeit seit 2006 über die geplante Bahnprivatisierung aufgeklärt und mit mehreren repräsentativen Umfragen nachgewiesen, dass die ganz überwiegende Mehrheit der Bevölkerung für eine verbesserte Bahn in öffentlicher Hand ist. Im März 2007 startete der neue Internetauftritt des Bündnisses mit der Homepage www.deinebahn.de. Kurz danach erschien die konkurrierende Webseite www.meinebahndeinebahn.de* im Netz – eine Kopie des Internetauftritts von „Bahn für alle“ – angeblich betrieben von einer Bürgerinitiative pro Bahn-Börsengang. Tatsächlich wurde die Seite von der Deutschen Bahn bezahlt, wie nun bekannt geworden ist.

Wie LobbyControl aufgedeckt hat, zahlte die Deutsche Bahn im Jahr 2007 insgesamt 1,3 Millionen Euro an die Agentur „European Public Policy Advisers GmbH“ (EPPA). Diese wiederum beauftragte den Verein Berlinpolis, der sich selbst stets als „unabhängige und eigenverantwortliche Denkfabrik“ bezeichnete, mit verdeckten PR-Maßnahmen. Dazu gehörten neben der genannten Homepage einer angeblichen Bürgerinitiative auch vorproduzierte Medienbeiträge, Blog- und Forenbeiträge, Leserbriefe und Meinungsumfragen. Dabei waren die Auftraggeber stets nicht erkennbar. Dazu Winfried Wolf von „Bürgerbahn statt Börsenbahn“, ebenfalls Mitglied bei „Bahn für Alle“: „Wenn Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee argumentiert, er habe bei seinem Einsatz für Berlinpolis nicht gewusst, dass Berlinpolis bezahlte Manipulation der Öffentlichkeit betreibt, geht das am Problem vorbei: Der Bund kontrolliert die Bahn nicht – oder er will sie nicht kontrollieren.“

„Bahn für Alle“ forderte die Bundesregierung und Abgeordneten auf, als Konsequenz aus dem Skandal ihre Beschlüsse zur Bahnprivatisierung zurückzunehmen. „Diese Beschlüsse sind auf der Basis einer groß angelegten Manipulation der Öffentlichkeit, von Parlament und Regierung gefasst worden. Sie müssen schleunigst vom Tisch“, stellte Winfried Wolf fest. Ebenfalls rückgängig gemacht werden müsse die Ausgliederung der für Nah-, Fern- und Güterverkehre zuständigen DB ML aus der Bahn AG, die im Frühjahr 2008 ausschließlich mit Blick auf eine schnelle Bahnprivatisierung erfolgte. Winfried Wolf: „Bleibt es bei den Beschlüssen und der Strukturänderung, kann eine spätere Bundesregierung quasi über Nacht eine weitreichende Bahnprivatisierung durchziehen – obwohl die Grundlagen dafür auf illegitime Art und Weise zustande kamen.“

*) Die gefälschte Homepage wurde im Dezember 2007 wieder aus dem Netz genommen.

Weitere Informationen bei LobbyControl:
http://www.lobbycontrol.de/blog/index.php/2009/05/weitere-einzelheiten-zur-verdeckten-pr-arbeit-der-bahn/