Mehdorn in Trier? Was bringts?
von Heiner Monheim
Schön, dass sich der Bahnchef endlich mal in die Südwest- Ecke bewegt. Was mag er an Ideen, Projekten, Finanzplänen im Gepäck haben? Man muß befürchten, daß er uns keine schöne Bescherung mitbringt, trotz des gerade eben stattgefundenen Weihnachtsfests.
Trauriger Bahnalltag im Südwesten
Denn die Südwestecke hat bei der Bahn keine hohe Priorität. Jede Menge stillgelegte Strecken ringsum. Jede Menge runtergekommene Bahnhöfe auch längs der noch betriebenen Strecken. Oft mit einer ursprünglich bemerkenswert ambitionierten Architektur aus besseren Bahnzeiten, wie auf der Mosel- oder Eifelstrecke.
Medorns Ambitionen
Mehdorns Ambitionen liegen wo anders. Gern weiht er Hochgeschwindigkeitsstrecken ein – mit grandiosem Feuerwerk wie letztes Jahr beim Start der neuen TGV/ICE Verbindungen zwischen Frankfurt, Stuttgart und Paris. Gern weiht er seine Großprojekte wie den Berliner Hauptbahnhof ein. Gern engagiert er sich in den großen Zentren wie bei Stuttgart 21, wo der historische Hauptbahnhof für Unsummen bebuddelt werden soll. Gern träumt er von schnellen Güterzügen nach Russland und China. Dafür braucht er Geld und dafür wollte er partout an die Börse.
Bahn in der Fläche. Ohne regionale Verankerung geht es nicht
Das ist das Gegenteil einer breit verankerten Flächenbahn, die sich die Deutschen in ihrer Bahnblütezeit mal geleistet haben. Die damals sehr erfolgreich war, im Personen- wie im Güterverkehr. Auch und gerade in der Region Trier. Denn Trier war ein wichtiger Bahnknoten, hier kreuzten sich wichtige Bahnstrecken: ins Saarland, nach Metz über die Obermosel, nach Luxemburg, nach Köln durch die Eifel, nach Koblenz längs der Mosel (früher sogar beiderseits des Flusses) und in den Hunsrück durch das Ruwertal. Diese Bahn war regional verankert, wurde von der Wirtschaft ernst genommen und von den Bürgern auch. Sie war der Stolz aller Politiker. Tempi passati! Heute klaffen große Lücken im Netz, gibt es viele Probleme mit der Bahn, ihrem Modernisierungsrückstau und ihrer europäischen Vernetzung. Hier im im Südwesten kann man exemplarisch besichtigen, was die chronischen Versäumnisse deutscher Bahnpolitik so alles angerichtet haben.
Die 1990er Jahre. Eine kurze Bahnoffensive auch für Trier
In den 1990er Jahren konnte man hoffen, die Durststrecke sei vorbei. Rheinland Pfalz war damals das fortschrittlichste deutsche Bahnland, mit vielen erfolgreichen Reaktivierungen, vorbildlichen Bahnhofsprogrammen, einem beachtlichen Rheinlandpfalz- Takt und einer Kommunikations- und Marketingoffensive. Neue S- Bahnzüge, Regionalbahnzüge und deutsche sowie luxemburgische Doppelstockzüge wurden angeschafft. Die meisten Nahverkehrszüge rund um Trier wurden intelligent durchgebunden und endeten nicht mehr im Knoten Trier. All das war ein Silberstreifen am Bahnhorizont. Dieser Schwung ist leider erlahmt, vor allem in unserer Region. Die weiteren dringend notwendigen Infrastrukturmaßnahmen, um
- die vielen Langsamfahrstellen (z.B. Konzer Brücke) zu beseitigen
- die Engpässe mit langen Wartezeiten bei Zugbegegnungen abzubauen (z.B. Eifelstrecke)
- die maroden Schienenstrecken zu modernisieren (z.B. Eifelquerbahn zwischen Mayen und Gerolstein)
- die fehlenden Haltepunkte zu realisieren, wo die Züge vorbeifahren, obwohl dort neue Wohn- und Gewerbeflächen entstanden sind (in und rund um Trier 24 potentielle Standorte für neue Haltepunkte)
wurden verzögert und gestrichen.
Die regionale Güterbahn ist tot
Im regionalen Güterverkehr hat sich die Güterbahn in Eifel und Hünsrück weitgehend verabschiedet, obwohl auf den Straßen jede Menge grenzüberschreitender regionaler LKW- Verkehr unterwegs ist. Das schert den Bahnchef wenig, ihm ist die Verbindung nach Russland und China viel wichtiger, wo er mit viel Tam Tam dem transkontinentalen Schiffsverkehr über die Weltmeere Konkurrenz machen will. Und in Deutschland, in den Regionen, abseits der Hauptkorridore? Da soll alles über die Straße laufen?
Erfordernisse moderner Klimapolitik und Konjunkturpolitik
Die Zeichen der Zeit erfordern ganz andere Schwerpunktsetzungen: Klimapolitik braucht eine Bahnoffensive, die vor allem lokal und regional verankert ist. Und eine solche Investitionsoffensive pro Bahn hilft auch der Konjunkturpolitik. Viele kleine Projekte sind wesentlich arbeitsmarktwirksamer als ein paar Großprojekte. Und sie helfen der Verkehrsentwicklung viel besser. Denn im Verkehr dominieren die kurzen und mittleren Entfernungen. Genau die ignoriert der Bahnvorstand mit vielen seiner Entscheidungen. da machen ihm die kleinen Regionalbahnen vor, wie man offensiv die Märkte beackert. Aber denen fehlt die Basis, neue Netze und Bahnhöfe zu bauen, das Netz ist eben immer noch vor allem das Netz der DB, die aus ihrem Netz viel zu wenig macht.
Neuausrichtung der Bahn ohne Börsengang
Jetzt, nachdem die Börsenpläne auf Eis liegen (hoffentlich für immer), muß sich der Konzern strategisch neu ausrichten. Und dazu braucht es eine verkehrspolitische Debatte über die Zukunft der Bahn. Generell und natürlich auch in unserer Großregion.
Regionale und kommunale Politik leider sehr bahnskeptisch
Leider hat die Region in Form ihrer Parlamentarier sich in der Vergangenheit nicht wirklich konsequent für die Schiene engagiert. Viel zu viele Bürgermeister und Landräte haben vor allem die Straße im Sinn, kämpfen viel engagierter für neue Autobahnen und Bundesstraßen, gigantische Straßenbrücken (z.B. Hochmoselübergang, Igelaufstieg) und immer neue Ortsumgehungen. Unsere „Akzeptanzstudie“ aus dem Jahr 2004 (Monheim, Schroll: Akzeptanz innovativer ÖPNV Konzepte bei politischen Akteuren, Trier, 2005) hat erschreckende Ergebnisse gebracht. Die Mehrheit der im Verkehr politisch verantwortlichen Akteure mißtraut dem öffentlichen Verkehr und der Bahn, hat sie längst abgeschrieben. Im Ruwertal mußte eine touristisch und für den Güterverkehr sehr entwicklungsfähige alte Bahnstrecke weichen, weil die Bahnübergänge die autofixierten Politiker störten. Jetzt wurde daraus ein Radweg, der auch leicht neben die Bahn gepaßt hätte. Das Gleiche Problem in Prüm. Viele Bahnstillegungen waren eben auch politisch gewollt. In Trier hat der Stadtrat lange die Umsetzung des seit 1984 vorliegenden Regionalbahnkonzepts mit den 24 neuen Haltepunkten blockiert. Alles keine kommunalen und regionalen Ruhmestaten zur Förderung der Schiene.
Ein Teufelskreis von Ignoranz
So entsteht ein Teufelskreis: Mehdorn und seine Vorstände ignorieren (abgesehen von einigen respektablen Vorzeigebeispielen) die riesige Bedeutung der regionalen Personen- und Güterbahnpotentiale, machen der privaten Schienenkonkurrenz das Leben schwer, konzentrieren sich auf die Ballungsräume und Hauptkorridore. Und die Politik hat die Bahn sowieso abgeschrieben. So baden es dann die Fahrgäste aus, viele wechseln frustriert zur Straße und dann wird nach weiterem Straßenausbau geschrieen.
Ein Masterplan Schiene Saar-Lor-Lux fehlt
Wenn es doch endlich einen offensiven Masterplan Schiene gäbe, als grenzüberschreitendes Konzept für die europäische Saar-Lor- Lux- Region, mit mindestens vier S- Bahnnetzen für die Oberzentren, ca. 30 Regionalbahnnetzen für die Mittelszentren, einem Städteschnellverkehr zwischen den Oberzentren und einem Integralen Taktfahrplan, der optimale Anschlüsse in den Zentren sicherstellt. Was hilft die Hochgeschwindigkeit, wenn im restlichen Netz alle Zeit der Welt verbummelt wird? In der klima- und verkehrspolitischen Großwetterlage wäre eine Bahnoffensive dringend erforderlich, auf die sich Herr Mehdorn und die zuständigen Politiker verständigen, mit vielen kleinen Projekten und mehr Tempo bei der Umsetzung, also nicht wie bei dem leidigen Dauerbrenner Konzer Bürcke, von dem zum x-ten mal behauptet wird, nun gehe es aber wirklich los mit der Engpaßbeseitigung. Wann wird die direkte, schnelle Verbindung nach Metz auf der Obermosel im Regelbetrieb mit Taktverkehr befahren (im Obermoseltunnel wird gerade ein neuer künstlicher Engpaß geplant, weil man nicht beide Gleise modernisieren will)? Wann wird die Netzlücke zwischen Saarstrecke und Luxemburg geschlossen. Wann wird ein angemessen attraktiver Euro- Taktverkehr zwischen den vier Oberzentren eingeführt. Wann werden die nötigen grenzüberschreitenden Saar-Lor-Lux- Buslinien als System entwickelt, mit einem richtigen Paukenschlag und nicht wie bisher mal hier ein bißchen und da ein bißchen.
Muß Mehdorn „nachsitzen“?
In früheren Zeiten mußten Schüler, die ihre Hausaufgaben nicht gemacht hatten, nachsitzen. Muß auch Mehdorn nachsitzen? Zusammen mit den vielen Bürgermeistern und Landräten, die alle sowieso nicht mehr an die Scheine glauben, jedenfalls nicht die regionale Schiene? Hier in der Region kann der Bahnchef sein Meisterstück machen, hier kann er sich als großer Europäer und Stratege beweisen, mit einem beispielhaften Programmpaket, das exemplarisch zeigt, was man in allen deutschen Euregios und auch in allen anderen deutschen Regionen tun müßte, damit die Bahnen (also die vielen nicht bundeseigenen Bahnen mit eingeschlossen) gemeinsam helfen, aus der Klimakatastrophe und der Peak Oil Problematik gut rauszukommen: mit einer attraktiven Flächenbahn.
Wer mehr zur Zukunft der Bahn wissen will, lese nach in:
- Monheim + Nagorni (2004): Die Zukunft der Bahn zwischen Bürgernähe und Börsengang. Karlsruhe (12.50 €) oder
- Monheim (2008): Die Rolle von Großprojekten in der Verkehrspolitik und Monheim (2008): Innovationen für ein effizientes Verkehrssystem, beide in Monheim + Zöpel: Raum für Zukunft. Zur Innovationsfähigkeit von Stadtentwicklungs- und Verkehrspolitik. Essen (25.00€)