Halbjahresbilanz Bahn: ein auch selbst verschuldetes Desaster
Die Verweise des Bahnmanagements auf „Corona“ lenken von den Ursachen der Bahnmisere ab
Das Bündnis Bahn für Alle nimmt zum Halbjahresergebnis der Deutschen Bahn AG wie folgt Stellung:
Das heute vorgestellte Halbjahresergebnis der Deutschen Bahn AG ist ein Desaster. Es läuft darauf hinaus, dass im gesamten laufenden Jahr 2020 ein Rekordverlust in Höhe von 5 Milliarden Euro eingefahren wird (FAZ vom 29.7.). Der Schuldenberg der DB wird allein 2020 von 25 auf gut 30 Milliarden Euro gesteigert. Einen vergleichbaren Verlust hat die Deutsche Bundesbahn auch in den schlechtesten Jahren ihrer Existenz nicht eingefahren. Der Schuldenberg der Bundesbahn – angehäuft in 44 Jahren Existenz des Staatsbetriebs – lag am 31. Dezember 1993, kurz vor Gründung der Deutschen Bahn AG, mit 58.207 Millionen DM (umgerechnet rund 29,3 Milliarden Euro) niedriger als der aktuelle Schuldenberg, den die Deutschen Bahn AG in nur 26 Jahren aufhäufte. Damals galt die hohe Verschuldung der Bundesbahn zu Recht als Hemmschuh für jede weitere positive Entwicklung. Deshalb wurden die Bundesbahn und die Reichsbahn mit der Bahnreform komplett entschuldet. Die DB startete im Januar 1994 schuldenfrei.
Stattdessen gibt es nun einen neuen Schuldenexzess. Dieser wird von der Bundesregierung und dem Bundesverkehrsminister gefördert, indem das Eigenkapital ein Jahrzehnt lang um jährlich eine Milliarde Euro erhöht wird. 2020 soll es noch eine Extrafinanzspritze in Höhe von mehreren Milliarden Euro geben – ebenfalls zu Eigenkapitalerhöhung. Das aber heißt: Genau wie damals bei der Bundesbahn wird jetzt die Aktionsfähigkeit der DB immer weiter eingeschränkt; die jährlichen Zahlungen für den Schuldendienst (Zins und Tilgung) werden im laufenden Jahr bereits höher als eine Milliarde Euro liegen. Zur Freude von Beratern und Banken. Zum Schaden von Fahrgästen und Beschäftigten.
Und woher kommen Rekorddefizit und Schuldenberg? Sicher, ein Teil ist Resultat von Krise und Epidemie. Doch ein großer Teil des Defizits entsteht durch zwei Faktoren, für die das Bahnmanagement und das Bundesverkehrsministerium die Verantwortung tragen: Erstens durch das Auslandsgeschäft. Die Bahntochter Arrivahat 2020 einen Abschreibungsbedarf von 1,3 Milliarden Euro. Zweitens durch massive Fehlinvestitionen in politisch motivierte Großprojekte, insbesondere in das gigantische Finanzloch Stuttgart 21. Hier gibt es seit Juli 2020 die neue Hiobsbotschaft: Es werden zusätzliche 12 bis 20 km Tunnelstrecken (die zusätzliche 1,5 bis 2 Milliarden Euro verschlingen) notwendig, um den Bahnknoten in Stuttgart für den Deutschlandtakt zu ertüchtigen.
Bahn für Alle fordert:
- Die krisenbedingte Einnahmeausfälle der DB müssen vom Bund 1:1 ausgeglichen werden.
- Die Deutsche Bahn muss sich auf das Kerngeschäft Schiene in Deutschland konzentrieren und unverzüglich von allen ausländischen Engagements trennen.
- Die zerstörerischen, teuren Großprojekte sind zu stoppen. Letzteres trifft zu auf Hamburg-Altona/Diebsteich, auf die „Zweite S-Bahn-Stammstrecke München“ und vor allem auf Stuttgart 21.
- Die Verschuldungspolitik der Deutschen Bahn muss beendet werden.
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