Ein Jahr nach ICE-Unglück von Köln: DB AG ist nicht steuerbar
Das Bündnis Bahn für Alle resümiert anläßlich des 1. Jahrestags des ICE-Unglücks von Köln am 09. Juli 08: Es ist offenbar nicht möglich, durchzusetzen, dass die Sicherheit der Fahrgäste über die Eigeninteressen der DB AG gestellt wird. Auch die Einschränkungen im Zugverkehr sind nach einem Jahr nicht behoben, sondern statt dessen mittlerweile Normalfall. Mit den bekanntgewordenen Problemen an hunderten von Güterzugachsen und Rädern der Berliner S-Bahn ist deutlich, dass es sich um ein fundamentales Problem handelt, dem ein Systemfehler zugrunde liegt.
Carl Waßmuth, Bahnexperte und Vertreter von attac im Bündnis: „Der Bund als Eigentümer ist unfähig, den Konzern DB AG zu steuern. Als einzigen Zugriff steht ihm der Wechsel des Vorstands zu Verfügung. Das ist zwar geschehen, aber ganz offenbar dennoch nicht ausreichend. Der Börsengang muss ganz abgesagt, die Bahn wieder unter demokratische Kontrolle gebracht werden.“
Dass die DB AG weiss, dass Köln kein Einzelfall war, zeigen die Bestellung einer großen Anzahl von Ultraschallprüfanlagen zur Achsprüfung und von neuen ICEs mit Radsatzwellen aus anderem Material bzw. mit anderem Konstruktionsprinzip. Der neue Vorstandsvorsitzende Dr. Rüdiger Grube schlägt einen neuen Vorstandsposten „Technik“ vor, weist aber weiterhin die Verantwortung der Bahnindustrie zu. Erforderlich wären jedoch nach einhelliger Fachmeinung umfassende Betrachtungen zu den Achsbelastungen – ein Bereich, der ausschließlich im Verantwortungsbereich der DB AG liegt. Dazu Carl Waßmuth: „Bei einer Untersuchung der tatsächlichen Belastung der Achsen käme die marode Infrastruktur in den Fokus – das soll wohl verhindert werden. Statt dessen droht das von Grube angekündigte Sparprogramm „reACT09″ das Kaputtsparen, das in der Vergangenheit schon massiv stattgefunden hat und das mittelbar den Achsbruch verursacht hat, auf die Spitze zu treiben.“
Bahn für Alle kritisiert weiter: Die in der Sache untersuchende Kölner Staatsanwaltschaft zeigt sich unfähig, den Vorgang zeitnah, fachkompetent und unter angemessener Information der Öffentlichkeit zu bearbeiten. So wurde zugelassen, dass die Achse vor der Übergabe an die Materialprüfanstalt vom Drehgestell entfernt wurde. Auch die Unrundheit der Räder, ein maßgeblicher Faktor für die Schwingsicherheit der Radsatzwelle, liess man nicht untersuchen. Der erste Bericht der Bundesanstalt für Materialprüfung (BAM) vom September ’08 gelangte nur zufällig an die Öffentlichkeit. Die Staatsanwaltschaft selbst verweigert jede Auskunft. Eine Folgestudie bei der BAM, die aufgrund von weiteren aufgefundenen Rissen an ICE-Achsen im Herbst 2008 in Auftrag gegeben wurde, liegt seit März 2009 vor. Sie wird jedoch von der Staatsanwaltschaft unter Verschluß gehalten. Auch vier bekannte Verkehrsexperten, die im Zusammenhang mit dem Unfall Anzeige erstattet hatten, werden die Informationen vorenthalten.
Mitglieder von Bahn für Alle haben zusamen mit anderen (1) mit einer öffentlichen Aktion an die Beinahe-Katastrophe eines ICE-Achsbruchs auf der Hohenzollernbrücke im Juli 2008 erinnert. An der Stelle, an der zuvor der ICE entgleist war, brachten sie ein Transparent „Vorsicht – Achsbruch !“ an. Die Kundgebungsteilnehmer ließen eine nachempfundene ICE-Achse brechen und sanken anschließend zu Boden. Mit der Aktion wiesen die Bahnfreunde auf den fatalen Zusammenhang zwischen Privatisierungsbestreben und der Vernachlässigung von Sicherheitsaspekten hin.
(1) u.a.: Horst Becker, MdL der Grünen in NRW, Gewerkschafter der britischen RMT
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