Deutschlandtakt – ja, aber bitte klima- und umweltverträglich
Karlsruher Urteil erfordert Revision der Zielfahrpläne
Pressemitteilung von Bahn für Alle:
Berlin, 13. Mai 2021: Angesichts der „Karlsruher Klima-Klatsche“ fordert Bahn für Alle, nun endlich auch in der Verkehrspolitik eine radikale Wende zu insgesamt weniger Verkehr und zu einer massiven Verkehrsverlagerung auf die Schiene zu vollziehen.
Das gilt auch im Hinblick auf den Ende 2018 vom Bundesverkehrsministerium (BMVI) verkündeten Deutschlandtakt. Das erklärte Ziel, Strecken und Bahnhöfe so auszubauen, dass man von jedem Ort mit Bahnanschluss zu jedem anderen möglichst bequem und ohne lange Warte- und Verlustzeiten reisen kann, ist im Prinzip eine gute Sache. Prof. Dr. Wolfgang Hesse von Bahn für Alle gibt jedoch zu bedenken:
„Die zurzeit heiß diskutierten Zielfahrpläne bergen die Gefahr bedrohlicher Fehlentwicklungen in sich. So stehen wieder einmal Hochgeschwindigkeitsprojekte, ausufernde Tunnelstrecken und Bahnhofsvergrabungen ganz oben auf der Tagesordnung des BMVI. Diese Vorhaben konterkarieren eine klimaverträgliche Ausrichtung des Schienenverkehrs.„
Herausragende Negativ-Beispiele sind die neu geplanten 300-km/h-Rennstrecken Hannover-Bielefeld und Nürnberg-Würzburg mit für den Fahrplan wenig tauglichen Fahrzeiten, die sogenannten Ergänzungsbauten zur Kaschierung des gescheiterten Stuttgarter Bahnprojekts, der in Hamburg geplante sogenannte Ferlemann-Innenstadttunnel sowie ein neuer Tiefbahnhof in Frankfurt am Main.
Dabei wird vergessen: Der Bau eines Gleiskilometers unter der Erde erzeugt so viel Treibhausgas wie 26.000 Pkw im Jahr. [1] Das heißt zum Beispiel: Allein die 20 bis 30 Kilometer zwischen Hannover und Bielefeld, die jeweils 30 Tunnelkilometer auf den Strecken Fulda–Frankfurt am Main und um Rosenheim herum sowie die über 40 Kilometer „Ergänzungstunnel“ zu Stuttgart 21 erzeugen ein CO2-Äquivalent von über 3 Millionen Autos pro Jahr. Wolfgang Hesse mahnt:
„Ein Deutschlandtakt in dieser Form droht nicht nur zu einem Reizwort bei der Bevölkerung in den betroffenen Regionen zu werden, sondern auch zu einem neuen Klimakiller. Dazu tragen nicht nur der Bau, sondern auch der Betrieb ausufernder Hochgeschwindigkeitsstrecken mit exponentiell steigendem Energiebedarf bei.“
Bahn für Alle setzt sich für einen Deutschlandtakt gemäß der vom BMVI selbst gewählten Devise ein: „Eine Maximierung der Reiseverbindungen und kürzere Reisezeiten durch abgestimmte Anschlüsse kommen vor reiner Fahrzeitverkürzung.“ [2]
Dazu appelliert Bahn für Alle an die Bundesregierung und an das BMVI: Nehmen Sie das Karlsruher Urteil ernst, geben Sie Klima- und Umweltschutz eine Chance – auch in der Verkehrspolitik und beim Deutschlandtakt! Sorgen Sie für eine Revision der Zielfahrpläne, einen maßvollen, den Bedürfnissen der Fahrgäste, des Umwelt- und Landschaftsschutzes verpflichteten Ausbau der (Schienen-)Verkehrs-Infrastruktur. Dazu gehört eine Bahn, die ihre Fahrgäste vor Ort abholt und wieder als Verkehrsmittel für Alle statt als „Flieger auf Schienen“, Störfaktor und Landschaftszerstörer wahrgenommen wird.
Ansprechpartner für die Presse:
Dr. Winfried Wolf, Bahn für Alle
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Quellen:
1] Karlheinz Rößler: Quantifizierung der Treibhausgasemissionen des Projekts Stuttgart 21, https://www.umstieg-21.de/assets/files/thg-endbericht_s21_251017.pdf und Frank Geraets, Axel Schwipps und Matthias Dittmer: Die Klimabilanz Berliner U-Bahn- und Straßenbahnplanungen, Dezember 2020, https://www.tagesspiegel.de/berlin/u-bahn-in-berlin-als-klimakiller-gutachter-stellen-katastrophale-co2-bilanz-fuer-neue-tunnel-auf/26679718.html
Hintergrundinformationen:
Wolfgang Hesse: Deutschlandtakt – Schlüssel zur (Bahn-)Verkehrswende oder nur ein Aushängeschild für neue Großprojekte?; Kapitel 3 des Alternativen Geschäftsberichts der Deutschen Bahn AG von Bahn für Alle “ Bilanz 2020/21: Mit Hochgeschwindigkeit ins Finanzloch“; https://bahn-fuer-alle.de/wp-content/uploads/2021/03/Alternativer-Geschaeftsbericht-DB-AG-2020-21.pdf
Prof. Dr. Wolfgang Hesse war bis 2008 Hochschullehrer für Informatik an der Universität Marburg/L. Er lebt in München, ist Experte für Fahrplanfragen.
Bahn für Alle tritt ein für eine Bahn in öffentlicher Hand, dem Gemeinwohl und den Fahrgästen verpflichtet, demokratisch kontrolliert und gesteuert, , als leistungsfähiger Akteur einer Verkehrswende, mit der klimaschädliche Verkehre von der Straße und aus der Luft auf die Schiene verlagert werden.
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Pressereaktionen:
13.05.2021 | Lok-Report: „Bahn für Alle: Deutschlandtakt – ja, aber bitte klima- und umweltverträglich“