DB und RZD weiter für Überkreuzbeteiligung und Privatisierung
von Hans-Gerd Öfinger
Die Deutsche Bahn (DB) und die Russische Staatsbahn RZD streben weiter eine enge Kooperation und im Zuge der angedachten Kapitalprivatisierung auch eine Überkreuzbeteiligung an. Dies bestätigte RZD-Chef Wladimir Jakunin auf Anfrage. Jakunin traf mit DB-Chef Rüdiger Grube beim internationalem Bahngipfel im Rahmen der Kongressmesse Rail 2009 in Dortmund zusammen, die am heutigen Mittwoch fortgesetzt wird.
Die beiden Bahnchefs präsentierten sich in einem Diskussionsforum auf dem Ausstellungsgelände der Ruhrmetropole als „wirkliche Freunde“ und bekannten sich zur europaweiten Liberalisierung und Privatisierung auf dem Eisenbahnsektor. Während Grube auf die Frage der Überkreuzbeteiligung nicht direkt einging, bestätigte Jakunin auf Anfrage die Existenz entsprechener Pläne. Dies sei eine „gute Idee“ und diene als „Stimulus für mehr Kooperation“. Das Vorhaben, über das deutsche Medien im vergangenen Juli berichtet hatten, sei lediglich wegen der aktuellen Wirtschaftskrise und mit Rücksicht auf die deutsche Bundestagswahl verschoben worden. es würde aber weiter verfolgt und könnten in drei bis vier Jahren wieder auf der Tagesordnung stehen, so Jakunin. Damit bestätigte der RZD-Chef Äußerungen von Privatisierungsgegnern des Aktionsbündnisses „Bahn für Alle“, die im Juli im Zusammenhang mit einer Überkreuzbeteiligung DB-RZD vor einem „handstreichartigen Einstieg in eine kalte Privatisierung gewarnt hatten.
Ähnlich wie bei der DB hat die Wirtschaftskrise auch bei der RZD zu einer Aussetzung des fest anvisierten Börsengangs geführt. Mit den Worten „Vielleicht sind künftige RZD-Anteilseigner hier im Saal“, warb der Bahnchef bei potenziellen Investoren um Kaufinteresse bei einem künftigen Börsengang. Und um künftigen RZD-Aktionären die Angst zu nehmen, dass sie damit auch die finanzielle Verantwortung für das kostspielige Schienennetz im riesigen Flächenland Russland übernehmen müssten, versicherte Jakunin: „Wenn es keine technische Revolution beim Rollmaterial gibt, wird der Fahrweg so teuer, dass der Staat Eigentümer des Fahrwegs bleiben muss.“
Jakunin lobte das Engagement des früheren DB-Chefs Mehdorn für die Kooperation zwischen DB und RZD. Mehdorn hatte seit Jahren auf die Entwicklung eines regelmäßigen Schienengüterverkehrs von Westeuropa über Russland nach China hingearbeitet und in diesem Zusammenhang die angestrebte Beteiligung privaten Kapitals an der DB gerechtfertigt. Jakunin beschwor in Dortmund die Schaffung eines einheitlichen Wirtschaftsraums aus der Europäischen Union und Russland, um sich im globalen Wettbewerb besser gemeinsam gegen die USA aufstellen zu können. Im Eisenbahnsektor gehe es darum, rechtliche und politische Hürden zu überwinden, um die vorhandenen technischen Möglichkeiten und Anlagen zum Spurwechsel optimal zu nutzen. In Russland beträgt die Spurbreite 1520 mm, während die Normalspur von 1435 mm in Deutschland und weiten Teilen Westeuropas und der Welt vorherrschend ist.
„Die Ankündigung durch Keolis ist keine Sensation“, kommentierte DB-Chef Grube Meldungen der letzten Tage, wonach die deutsche Tochter der französischen Staatsbahn SNCF ab 2011 erstmals in Konkurrenz zur DB auch im deutschen Inlandsverkehr zwischen Frankfurt (Main) und Hamburg bzw. Berlin eigene Züge im Personenfernverkehr betreiben wolle und die dazu erforderliche Trassenanmeldung bei der DB Netz AG fristgerecht vorgenommen hat . „Aber die Franzosen lassen uns nicht einmal an Ausschreibungen im Öffentlichen Personennahverkehr teilnehmen“, kritisierte Grube die Entscheidungsträger der französischen Politik. In Paris glaube die Regierung, „den Gewerkschaften einen Gefallen zu tun, wenn sie den Markt abschottet und das SNCF-Monopol schützt“, bemängelte Grube, der sich verärgert darüber zeigte, dass sein Konzern den erhofften Zugriff auf den ÖPNV in Lyon nicht erhalten hat.
Die DB betreibt ihrerseits über ihre britische Güterverkehrstochter DB Schenker Rail (UK), ehemals EWS, und deren Tochter Euro Cargo Rail (ECR) auf dem französischen Markt Güterzüge in Konkurrenz zur SNCF und hat damit in Paris Ängste vor einer neuen deutschen Offensive in Richtung Westen ausgelöst. Britische Gewerkschafter beklagen derzeit einen Kahlschlag bei DB Schenker Rail (UK), der mit Massenentlasungen einhergehe und durch die Zerstörung von Infrastruktur für den Schienen-Güterverkehr ökologisch und sozial schädlich sei. Offensichtlich habe sich die Deutsche Bahn nur für die größte britische Güterbahn interessiert, um durch den Kanaltunnel auf französischer Territorium vorzustoßen. Die DB-Güterverkehrssparte DB Schenker Rail (ehemals Railion) hatte in den letzten Jahren Güterbahnen in den Niederlanden, Dänemark, Großbritannien, Frankreich, Spanien, der Schweiz, Italien und Polen übernommen. „Wir sind die erste europäische Güterbahn“, erklärte Grube in Dortmund stolz und kritisierte, dass nicht nur in Frankreich Regierungen den Markt abschotteten und mit „unglaublichen Sonderregelungen oder Verfahren zur Fahrzeugzulassung und Sicherheit“ das Vordringen der DB behinderten. „Wir wollten mit dem ICE bis Rom fahren und sind in Wien gelandet“, beklagte Grube.
Anders als sein Vorgänger Hartmut Mehdorn war der Bahnchef allerdings in Dortmund offensichtlich entschlossen, das europaweite Expansionsstreben der DB nicht mit kriegerischem Vokabular zu garnieren. „Guillaume Pépy ist ein guter Freund“, kommentierte Grube sein Verhältnis zum SNCF-Chef und versprach Kooperation beider Bahnen beim Betrieb auf der neuen Rhein-Rhone-Schnellfahrstrecke zwischen dem Elsaß und Lyon, die in wenigen Jahren eingeweiht werden soll.
Um verbale Abrüstung war man in Dortmund auch am Messestand der SNCF-Tochter Keolis bemüht. Der auf Weisung der Pariser SNCF-Zentrale erfolgten vorsorglichen Trassenanmeldung bei der DB Netz AG liege der französische Wunsch zu Grunde, mit der DB eine „Kooperation auf gleicher Augenhöhe“ zu pflegen. Allerdings habe die DB auch bei der Industrie „frankreichtaugliche“ ICE-Züge bestellt und daher sei nicht klar, was sie „im Schilde führt“, hieß es bei Keolis skeptisch.