In Berlin sind Koalitionsverhandlungen. Wir haben am 10. März an die potentiellen Koalitionäre, CDU und SPD, geschrieben und sie aufgefordert, die Berliner S-Bahn zu retten. Wann, wenn nicht jetzt! Nachfolgend dokumentieren wir die Schreiben.

An den CDU Landesverband Berlin, Parteivorstand

Mit Koalitionsvertrag neue Zeichen setzen und die Zukunft der Berliner S-Bahn als leistungsfähigen Verkehrsakteur sichern

Sehr geehrter Kai Wegner, sehr geehrte Damen und Herren,

die Zukunft der Berliner S-Bahn ist in den kommenden Jahren eines der maßgeblichen verkehrs- und investitionspolitischen Themen Berlins. Sie haben dazu bereits Stellung genommen, wir teilen Ihre Kritik am bisherigen Vorgehen der Grünen, das SPD und Linke unterstützt hatten. Angeblich durch äußere Zwänge (EU, Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen) und um preisliche Vorteile zu forcieren, wurde die Ausschreibung so angelegt, den Betrieb der S-Bahn zu zerschlagen und für die Beschaffung und Instandhaltung der Wagen ein ÖPP-Projekt mit 30 Jahren Laufzeit zu kreieren.

Mit einer neuen Koalition, angeführt von der CDU, wird auch ein Wechsel der Politik zur S-Bahn möglich. Dabei geht es nicht nur um Verkehrspolitik, sondern auch um die Gesamtkosten. Eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung wurde von den Grünen nie vorgelegt. Aber bereits aus wesentlichen Parametern lässt sich ableiten, dass statt Kosteneinsparungen Mehrkosten sehr wahrscheinlich sind:

  1. Der künftige Betrieb ebenso wie die Wagenbeschaffung werden von den Bietern kreditfinanziert. Die Rückzahlung erfolgt dann mit Hilfe der vereinbarten regelmäßigen öffentlichen Zuschüsse. Mit dem Ende der Niedrigzinsphase fallen jedoch nun erheblich höhere Zinsen an – vermutlich mehrere Milliarden Euro.
  2. Angeblich um keinen Bieter zu bevorzugen, macht die Ausschreibung mit bestehenden Strukturen Tabula rasa: Werkstätten, die bestehen und funktionieren, dürfen nicht angesetzt werden, sie müssen stattdessen neu gebaut werden – aus Steuergeldern. Eine neue S-Bahn-Baureihe, die fertig entwickelt wurde und sich in der Auslieferung befindet, kann faktisch nicht verwendet werden. Stattdessen muss wieder eine neue Reihe entwickelt werden – aus Steuergeldern.
  3. Die Dreiteilung des Netzes ist nicht vollzogen. Um rein technisch zu ermöglichen, dass drei Bieter die S-Bahn gleichzeitig betreiben, sind erhebliche Neubauten erforderlich. Eine davon ist die Diagonalquerung des Karower Kreuzes, aber auch zusätzliche Ausfahrten und Nachabstellgleise – entsprechend den Anforderungen von drei statt einem Betreiber – wären neu zu bauen. Diese Bauten haben keinen nennenswerten Mehrwert für die Berlinerinnen und Berliner, wären aber von ihnen ebenfalls zu bezahlen.

Dazu kommen die Interessen der Beschäftigten; Sie haben zu Recht die Sorge vor tausenden Entlassungen, Fachkräftemangel, Tarifflucht und Subunternehmerpyramiden geäußert. Die Ausschreibung zielt darauf ab, Kosten einzusparen, und das ist vor allem beim Personal möglich. Die laut Angabe der Grünen in der Ausschreibung außergewöhnlich gut geregelten Bedingungen für die Beschäftigten stellen einen schwachen Schutz dar, denn sie können zum Beispiel durch Insolvenz der Betreiber ausgehebelt werden. Das hat zuletzt die Abellio-Pleite eindrücklich belegt.

Die Koalitionsverhandlungen sind nun der richtige Zeitpunkt, um die jüngste Politik zur S-Bahn zu korrigieren. Werden Sie am Abbruch der Ausschreibung festhalten und die Chance für einen Neustart einer S-Bahn in einer Hand im Vertrag verankern?

Freundlich grüßen

Carl Waßmuth | Laura Valentukeviciute | Katrin Kusche

Bahn für Alle | Gemeingut in BürgerInnenhand | EINE-S-Bahn für ALLE

PS: In Fragen rund um die S-Bahn-Organisation stehen wir Ihnen gern beratend zur Seite.

Unter dem folgenden Link finden Sie zum Beispiel das von RA Benno Reinhardt im Jahr 2021 erstellte „Juristische Positionspapier zur Aufhebung der S-Bahn-Vergabe Berlin-Brandenburg“.

PPS: Nachfolgend fügen wir Ihr Schreiben zur S-Bahn vom 09.02.23 an den Aktiven R. B., an:

Sehr geehrte Damen und Herren,

vielen Dank für Ihr Schreiben, in dem Sie sich wegen der S-Bahnausschreibung an mich wenden. In den letzten Tagen haben mich viele Bürgerinnen und Bürger in dieser Angelegenheit kontaktiert, das zeigt die Bedeutung des Anliegens. Aufgrund der großen Anzahl von Anfragen erhalten Sie von mir eine allgemeine Antwort.

Wir als CDU teilen Ihre Bedenken und Sorgen hinsichtlich der vom SPD-Grünen-Linken-Senat konzipierten S-Bahnausschreibung für die Teilnetze 2 und 3. Wir kritisieren das Konzept schon seit 2 Jahren. Die Ausschreibung ist viel zu umständlich, kleinteilig und langwierig. Zudem birgt sie die Gefahr der S-Bahnnetz-Zerschlagung.

Mit dieser Ausschreibung drohen viele ineffiziente Strukturen zwischen den Akteuren zu entstehen. Dies gilt insbesondere im Betrieb und der Instandhaltung der verschiedenen Teilnetze sowie der Infrastruktur und im Verhältnis mit dem Verkehrsverbund. Das Land Berlin sollte seinen Einfluss, auch mit Blick auf das Mobilitätsinteresse der Berliner und die Nachhaltigkeit unserer Stadt, nicht aus der Hand geben. Darüber hinaus droht eine „Zerstörung“ des bestehenden einheitlichen Berlin-Brandenburger S-Bahnnetzes.

Weiterhin besteht aus unserer Sicht die begründete Gefahr der Entlassung tausender Mitarbeiter. Aufgrund der befristeten Ausschreibungsdauer besteht für die Mitarbeiter keine langfristige Beschäftigungsperspektive, was zu einem Fachkräftemangel, insbesondere im Fahrdienst, führen könnte. Es ist zu befürchten, dass sich die Arbeitsbedingungen durch Tarifflucht, massiver Erschwerung zur Durchsetzung gewerkschaftlicher Rechte sowie diverser Möglichkeiten zum Aufbau von Subunternehmerpyramiden deutlich verschlechtern.

Aus den genannten Gründen muss intensiv geprüft werden, ob und wie die aus grüner Hand mit Billigung der SPD entstandene S-Bahnausschreibung gestoppt und die S-Bahn in einer Hand bleiben kann. Das Einheitsnetz der S-Bahn Berlin GmbH und die S-Bahn Berlin müsen erhalten werden. Die CDU Berlin steht fest an der Seite der Beschäftigten.

Mit den besten Grüßen

Kai Wegner

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An die SPD Berlin, Parteivorstand

Die Berliner S-Bahn als leistungsfähigen Verkehrsakteur im Koalitionsvertrag sichern

Sehr geehrte Franziska Giffey, sehr geehrte Damen und Herren,

die Zukunft der Berliner S-Bahn ist in den kommenden Jahren eines der maßgeblichen verkehrs- und investitionspolitischen Themen Berlins.

Seit 2016 hatten die Grünen in diesem Bereich die Federführung. Dort hatte man sich für ein außerordentlich neoliberales Vorgehen entschieden. Angeblich durch äußere Zwänge (EU, Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen) und um preisliche Vorteile zu forcieren, wurde die Ausschreibung so angelegt, den Betrieb der S-Bahn zu zerschlagen und für die Beschaffung und Instandhaltung der Wagen ein ÖPP-Projekt mit 30 Jahren Laufzeit zu kreieren.

Mit einem Wechsel der Koalitionspartner wird auch ein Wechsel dieser Politik möglich.

Dabei geht es nicht nur um Verkehrspolitik, sondern auch um die Gesamtkosten. Eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung wurde von den Grünen nie vorgelegt. Aber bereits aus wesentlichen Parametern lässt sich ableiten, dass statt Kosteneinsparungen Mehrkosten sehr wahrscheinlich sind:

  1. Der künftige Betrieb ebenso wie die Wagenbeschaffung werden von den Bietern kreditfinanziert. Die Rückzahlung erfolgt dann mit Hilfe der vereinbarten regelmäßigen öffentlichen Zuschüsse. Mit dem Ende der Niedrigzinsphase fallen jedoch nun erheblich höhere Zinsen an – vermutlich mehrere Milliarden Euro.
  2. Angeblich um keinen Bieter zu bevorzugen, macht die Ausschreibung mit bestehenden Strukturen Tabula rasa: Werkstätten, die bestehen und funktionieren, dürfen nicht angesetzt werden, sie müssen stattdessen neu gebaut werden – aus Steuergeldern. Eine neue S-Bahn-Baureihe, die fertig entwickelt wurde und sich in der Auslieferung befindet, kann faktisch nicht verwendet werden. Stattdessen muss wieder eine neue Reihe entwickelt werden – aus Steuergeldern.
  3. Die Dreiteilung des Netzes ist nicht vollzogen. Um rein technisch zu ermöglichen, dass drei Bieter statt einer die S-Bahn betreiben, sind erhebliche Neubauten erforderlich. Eine davon ist die Diagonalquerung des Karower Kreuzes, aber auch zusätzliche Ausfahrten und Nachabstellgleise – entsprechend den Anforderungen von drei statt einem Betreiber – wären neu zu bauen. Diese Bauten haben keinen nennenswerten Mehrwert für die Berlinerinnen und Berliner, wären aber von ihnen ebenfalls zu bezahlen.

Dazu kommen die Interessen der Beschäftigten. Die Ausschreibung zielt darauf ab, Kosten einzusparen, und das ist vor allem beim Personal möglich. Die laut Angabe der Grünen in der Ausschreibung außergewöhnlich gut geregelten Bedingungen für die Beschäftigten stellen einen schwachen Schutz dar, denn sie können zum Beispiel durch Insolvenz der Betreiber ausgehebelt werden. Das hat zuletzt die Abellio-Pleite eindrücklich belegt.

Die CDU hat sich für eine einheitliche S-Bahn unter öffentlicher Kontrolle ausgesprochen. Zudem steht sie nach eigener Aussage für einen Schutz der Beschäftigten. Die Schnittmenge mit der SPD müsste also groß sein.

Wir fordern Sie auf, entsprechend der eigenen sozialen Grundsätze im Koalitionsvertrag festzuhalten, dass die aktuelle, neoliberale Ausschreibung der S-Bahn abgebrochen wird und die Koalition stattdessen einen Neustart für die S-Bahn vornimmt: Ökologisch und sozial, öffentlich und in einer Hand.

In Fragen rund um die S-Bahn-Organisation stehen wir Ihnen gern beratend zur Seite.

Freundlich grüßen

Carl Waßmuth | Laura Valentukeviciute | Katrin Kusche
Bahn für Alle | Gemeingut in BürgerInnenhand | EINE-S-Bahn für ALLE

[PS und PPS wie im Schreiben an die CDU]