Ausweg für die SPD: Bahn in öffentlicher Hand
70 Prozent der Bevölkerung, 73 Prozent der SPD-Anhänger sind gegen jede Bahnprivatisierung und stattdessen für eine Bahn in öffentlicher Hand. Das Bündnis „Bahn für Alle“ hat auf einer Pressekonferenz einen 20-Punkte-Katalog zur Zukunft der Bahn vorgelegt. „Wenn sich die SPD gegen die Bahnprivatisierung entscheidet und für eine Bahn der Zukunft, kann ihr das letztlich Wählerstimmen bringen“, sagte Monika Lege, Verkehrsreferentin von Robin Wood, einer der 15 Trägerorganisationen des Bündnisses.
Der Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer, Mitglied der SPD-Arbeitsgruppe „Bahnreform“, erklärte: „Was in dem 20-Pukte-Katalog steht, teile ich in der Analyse vollständig.“ Er erinnerte daran, dass der Parteitag „mit fast 99-prozentiger Zustimmung“ eine „Demarkationslinie“ zur Bahnprivatisierung gezogen hat. „Das war nicht nur eine Entscheidung des linken Flügels. Dem Parteitag war die Beschränkung auf stimmrechtslose Aktien noch zu wenig Schutz“, sagte Scheer. Vor jeder Diskussion über Privatisierung müsse zunächst die Ausrichtung der Deutschen Bahn AG diskutiert werden.
In dem 20-Punkte-Katalog zur Zukunft der Bahn wird dargelegt, dass die bisherige Bilanz der Bahnreform negativ ist, vor allem durch den in den Jahren 2000 bis 2007 eingeschlagenen „Weg zur Börsenfähigkeit“. Die Bahn müsse die Konzentration auf Hochgeschwindigkeitsstrecken und Großprojekte aufgeben und stattdessen die Netzinfrastruktur systematisch sanieren und ertüchtigen.
„Das Netz muss so ausgebaut werden, dass jede Station mindestens stündlich, Mittel- und Oberzentren im Halbstundentakt angefahren werden. Alle Oberzentren müssen vom Fernverkehr bedient werden“, forderte Winfried Wolf, Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat von Attac und Sprecher der Expertengruppe Bürgerbahn statt Börsenbahn. „Die Bahn hat primär die Aufgabe, Bahnverkehr in Deutschland aufrechtzuerhalten. Mit einem attraktiven Anbebot kann die Zahl der Arbeitsplätze gesteigert werden.“
Eine Volksabstimmung zur Zukunft der Bahn forderte Michael Efler vom Verein Mehr Demokratie. „Wir sind neutral bezüglich der Sachentscheidung zur Bahn“, sagte Efler. „Aber man kann nicht eine solch zentrale Frage im Hauruck-Verfahren durchziehen. Es sollte eine Legitimation der Bürger eingeholt werden.“ Er verwies auf die aktuelle Emnid-Umfrage im Auftrag von Bahn für Alle, der zufolge 70 Prozent der Menschen für eine Bahn in öffentlicher Hand sind. Für den Verkauf der Verkehrstöchter der DB AG, wie mit dem Steinbrück-Modell vorgesehen, sind nur elf Prozent.
„Wir wissen die Mehrheit der Bevölkerung und die Mehrheit auf dem Parteitag hinter uns“, sagte Franziska Drohsel, Vorsitzende der Jusos in der SPD. „Es ist für mich nicht nachvollziehbar, warum die Gang um Steinbrück so ein Modell präsentiert, das keine der Voraussetzungen des Parteitags erfüllt.“ Mobilität sei eines der zentralen Güter, um in der Gesellschaft partizipieren zu können. „Der Staat darf mit der Bahn diese zentrale Gestaltungsmöglichkeit für soziale Gerechtigkeit nicht aus der Hand geben“, verlangte die Juso-Vorsitzende und kündigte an, dass es in der SPD dazu „großes Konfliktpotential“ gebe.
Scheer verlangte, in der SPD-Arbeitsgruppe „über das Ob der Bahnprivatisierung zu diskutieren, nicht nur über das Wie“. Auch in der Bundestagsfraktion sei diese Debatte nie geführt worden. Zur Arbeitsgruppe sagte Scheer weiter: „Ich hoffe, dass die Diskussion in Arbeitsgruppe sachorientiert bleibt und nicht gentuzt wird für personelles Kräftemessen.“
„Bahn für Alle“ ist ein Bündnis von 15 Organisationen aus Globalisierungskritikern, Umweltorganisationen, politischen Jugendverbänden und Gewerkschaften und setzt sich ein für eine verbesserte Bahn in öffentlicher Hand. Träger des Bündnisses sind Attac, Bahn von unten, BUND, Bürgerbahn statt Börsenbahn, Eurosolar, Grüne Jugend, Grüne Liga, IG Metall, Jusos in der SPD, Linksjugend Solid, NaturFreunde Deutschlands, Robin Wood, Umkehr, VCD Brandenburg und Verdi.
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