Skandal um ICE-Achsen muss Konsequenzen für die Bahnpolitik haben
Neue Studie: ICEs rasen auf überlasteten Achsen durch das Land. DB AG versteht sich als „Logistik-Konzern “ und möchte den Personenverkehr abhängen
Eine vom Bündnis „Bahn für Alle“ in Auftrag gegebene Studie belegt: Schon seit Jahren wird in Fachbeiträgen öffentlich davor gewarnt, dass die ICE-Achsen zu schwach sind für die Belastungen, denen sie im Hochgeschwindigkeits- und Mischverkehr ausgesetzt sind. Für die Studie ausgewertet wurden ausschließlich öffentlich zugängliche Informationen. Die DB AG hatte trotz Kenntnis der Warnhinweise aus Kostengründen Inspektionsintervalle verlängert statt verkürzt. Auch nach dem Ermüdungsbruch einer Achse in Köln musste die DB AG mehrfach durch die Bahnaufsicht gezwungen werden, die Intervalle zu verkürzen, zuletzt gerichtlich. In der Folge betragen die Prüfintervalle nur noch ein Zehntel der Laufleistung wie vor der Beinahe-Katastrophe auf der Höchstgeschwindigkeitsstrecke zwischen Frankfurt und Köln.
Auch der Vorabbericht der Bundesanstalt der Materialprüfung (BAM), der der Bahn am 24.09.08 vorgestellt worden war, wurde von Materialexperten und Bahntechnik-Fachleuten für „Bahn für Alle“ ausgewertet. Die von der Staatsanwaltschaft Köln in Auftrag gegebene Studie zum Achsbruch hatte danach eine zu enge Aufgabenstellung. Aussagen zu einer generell vorliegenden Überlastung der Achse waren nicht beauftragt. Im Rahmen dieser Aufgabenstellung nennt die BAM-Studie jedoch fünf verschiedene Ursachen, die gemeinsam zu dem Bruch führten. Vier davon liegen ausschließlich im Verantwortungsbereich der DB AG, und nur bei einer Ursache liegt eine Teilverantwortung ausserhalb.
Carl Waßmuth, Vertreter von attac im Bündnis „Bahn für Alle“, kommentiert: „Hartmut Mehdorn ist selbst Ingenieur und war jahrelang Qualitätsmanager in der Luftfahrtindustrie. Es ist nicht vorstellbar, dass nach einem Flugzeugunglück der Lieferant eines Einbauteils der Düsen die Alleinverantwortung zugewiesen bekommt. Die DB AG hat die Zulassung für den Betrieb von Schienenverkehr bekommen, weil man davon ausging, dass sie der alle Aspekte des Betriebs umfassenden Verantwortung gerecht werden kann.“ Nach Auffassung von Bahn für Alle besteht der dringende Verdacht, dass die DB AG mit ihrer Orientierung auf den Börsengang diese Gesamtsicht aufgegeben hat. Dazu Carl Waßmuth: „Es wurden quasi Hypotheken aufgenommen auf das Gleismaterial, das völlig unzureichend gewartet wird, und auf die Züge, deren Lebensdauer offenbar gerade noch bis zum Datum des Börsengangs kalkuliert wurde.“ Betriebsteile, die aus Aspekten der Sicherheit zusammengehören, wurden nach „Bahn für Alle“ vorliegenden Informationen auseinandergerissen, einzelne davon verkauft. Die Mindereinnahmen aus eingesparter Wartung und die Sondererlöse aus den Teilverkäufen stellen seit Jahren knapp die Hälfte des jährlich ausgewiesenen Bilanzgewinns.
„Bahn für Alle“ fordert: Wenn es heute im Parlament und morgen im Kanzleramt um die Bahn geht, muss vom Eigentümer Bund unzweideutig herausgestellt werden: Die Bahn ist kein Logistikkonzern mit angehängtem Personenverkehr. Alle Strukturen und Personen, die diese Haltung stützen, sind bei der Bahn fehl am Platz. Die Teilprivatisierung war die Inkarnation dieser Fehlentwicklung, sie ist zugunsten einer progressiven Verkehrspolitik endgültig abzusagen.
Für Rückfragen:
- Winfried Wolf (Bürgerbahn statt Börsenbahn), Telefon 0177 / 672 443 77
- Carl Waßmuth (Attac), Telefon 0179 / 772 43 34
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