Eisenbahnbundesamt: Beim ICE-3 drohte „Katastrophe wie in Eschede“
Wie eine Recherche des Bündnisses „Bahn für Alle“ ergeben hat, hat nicht die Deutsche Bahn AG am vergangenen Wochenende als „Vorsichtsmaßnahme“ alle ICE-3-Einheiten einer „Zusatzuntersuchung mit Ultraschall“ unterzogen. Vielmehr handelte es sich um eine Anordnung der Aufsichtsbehörde Eisenbahnbundesamt (EBA). Diese Maßnahme musste der Bahn „als Notstandsmaßnahme“ wegen „Gefahr im Verzug“ aufgezwungen werden, wie es in dem „Bahn für Alle“ vorliegenden Bescheid heißt. Dazu Dr. Winfried Wolf von „Bürgerbahn statt Börsenbahn“, einem der 16 Träger von „Bahn für Alle“: „Seit drei Jahren weisen wir darauf hin, dass ein Bahnbörsengang einen Abbau von Sicherheit bedeutet. Wir konnten das am Beispiel der schweren Unfälle nach der britischen Bahnprivatisierung Ende der 1990er Jahre belegen. Und wir können das nun am Beispiel der Ereignisse am vergangenen Wochenende für die deutsche Bahnprivatisierung aufzeigen.“
Nach der Entgleisung eines ICE-3 in Köln am Mittwoch vergangener Woche fuhren die ICE-3-Züge mit Höchstgeschwindigkeiten weiter. Da der Bahnvorstand nicht bereit war, umgehend die gesamte ICE-3-Flotte mit Ultraschall auf Rissbildung zu untersuchen, erließ das Eisenbahn-Bundesamt am Freitag den folgenden dramatischen Bescheid: Alle im Einsatz befindlichen ICE-3, die seit der letzten Ultraschallüberprüfung mehr als 60.000 Kilometer Laufleistung hatten, seien „aus dem Betrieb zu nehmen“ und ohne Verzögerung auf „Rissfreiheit“ zu überprüfen. Das EBA stellte dabei klar, dass die „sofortige Vollziehung dieses Bescheides (…) wegen Gefahr im Verzug als Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse (…) angeordnet“ wurde.
„Am Wochenende hieß es in den Medien, jeder Vergleich mit Eschede verbiete sich. Nun hat die zuständige Aufsichtsbehörde just auf die Gefahr der Wiederholung einer solchen Eisenbahnträgödie hingewiesen“, betonte Michael Detscher, ebenfalls bei „Bahn für Alle“ aktiv. Im Bescheid des ESA heißt es: „Der Bruch einer Radsatzwelle führt unweigerlich zum Entgleisen des Zuges (…) Der vorliegende Fall hat sich glücklicherweise bei Schrittgeschwindigkeit ereignet. Wäre dasselbe Ereignis bei Streckengeschwindigkeit von bis zu 300 km/h aufgetreten, hätte sich mit nicht unerheblicher Wahrscheinlichkeit eine Katastrophe wie in Eschede ereignen können.“
Die in den letzten Jahren erweiterten Wartungsintervalle für ICEs legen aus Sicht von „Bahn für Alle“ einen Zusammenhang zur Bahnprivatisierung nahe.
Ende der 1990er Jahre wurden als Konsequenz aus dem Eschede-Unglück für die ICE-Hochgeschwindigkeitszüge Ultraschallprüfungen mit 60.000-Kilometer-Intervallen festgelegt. Im Juni 2003 verkündete Bahnchef Hartmut Mehdorn das „Projekt Express“, wodurch die Intervalle für ICE-Ultraschallprüfungen auf 300.000 Kilometer hochgesetzt wurden. Just zu dieser Zeit verordneten Mehdorn und Kanzler Schröder der Bahn den Börsenkurs. Mit dem „Projekt Express“ sollten „Einsparungen in Höhe von 151 Millionen Euro jährlich“ erzielt werden. Seither wurden also mehr als 600 Millionen Euro „Einsparungen“ und Gewinnsteigerung erzielt – ein Beitrag zur Kapitalmarktfähigkeit der DB AG – auf Kosten der Sicherheit von Fahrgästen und Personal.
Im Juni 2008 hat der Bundestag mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD und gegen den Willen von 70 Prozent der Bevölkerung der Teilprivatisierung der DB AG zugestimmt. „Bahn für Alle“ fordert, jetzt endlich die Notbremse zu ziehen und die Kapitalprivatisierung der Bahn zu stoppen.
„Bahn für Alle“ ist ein Bündnis von 16 Organisationen aus Globalisierungskritikern, Umweltorganisationen, politischen Jugendverbänden und Gewerkschaften. „Bahn für Alle“ setzt sich ein für eine verbesserte Bahn in öffentlicher Hand. Träger des Bündnisses sind Attac, Bahn von unten, BUND, Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz, Bürgerbahn statt Börsenbahn, Grüne Jugend, Grüne Liga, IG Metall, Jusos in der SPD, Linksjugend Solid, NaturFreunde Deutschlands, Robin Wood, Sozialistische Jugend Deutschlands – Die Falken, Umkehr, VCD Brandenburg und Verdi.
Den Originalwortlaut des EBA-Bescheids an die DB Fernverkehr AG vom 11. Juni 2008 finden Sie auf http://www.eisenbahn-kurier.de/
Für Rückfragen:
- Dr. Winfried Wolf, Tel. 0177 – 672 4437
- Michael Detscher, Tel. 0160 – 9143 7796
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