
Auf der Suche nach der Hochleistung
Liebe Freundinnen und Freunde einer Bahn für alle,
in Fragen der Bahnpolitik gab es dieses Jahr kein Sommerloch. Negativschlagzeilen prägten die Saure-Gurken-Zeit. Da ist es gut, dass wir dem Trend positive Meldungen entgegensetzen können – nicht nur, aber auch. Lesen Sie in unserem Rundbrief:
- zur Sperrung der Strecke Hamburg – Berlin
- zum Rauswurf von Bahnchef Richard Lutz
- zur Ankündigung einer „Agenda für zufriedene Bahnkunden“
- zur Privatisierung der S-Bahn Berlin
- über den Beitritt des BUND zum Bündnis Bahn für Alle
- zu 20 Jahren Bahn für Alle
Hamburg – Berlin: Generalunfug
Die Deutsche Bahn AG (DB) hat das Schienennetz verfallen lassen. Das liegt in der verqueren Logik dieser Aktiengesellschaft, Instandhaltung schmälert die Gewinne, für (Ersatz-) Neubau bekommt die DB hingegen das Geld vom Bund. Einer der vielen politischen Webfehler der Bahnreform 1994. Doch zurück zur Strecke Hamburg – Berlin: Nach dem Ausbau 2004 kam man in gut eineinhalb Stunden von Hamburg nach Berlin, eine Verbindung mit viel Zuspruch. Und obwohl die Strecke schon 2009, 2021 und 2024 saniert worden war, ist nun im Rahmen der sogenannten Generalsanierung seit dem 1. August alles dicht, dieses Mal für neun Monate. Die Belastung für die Fahrgäste ist enorm. Vor allem wer Ziele zwischen den beiden Metropolen erreichen möchte, ist mehrere Stunden länger unterwegs. Der Ersatzverkehr gilt als der „bisher größte“, bei der Qualität konnte allerdings kein Superlativ erreicht werden, der erste Busunfall mit Personenschaden ereignete sich schon nach wenigen Tagen. Wer kann, wird aufs Auto umsteigen. Es gibt keine stichhaltige Erklärung, warum nicht wie seit 150 Jahren jeweils ein Gleis freigehalten wird. Kundenfreundlich ist das nicht, und der Ausbau selbst ist keineswegs so umfassend wie anfänglich geplant. Der versprochene Hochleistungskorridor entsteht nicht, denn ausgerechnet beim Einbau der modernen Zugsteuerung ETCS und bei der Zahl der Überholgleise wird gespart – dafür soll dann vermutlich in wenigen Jahren wieder voll gesperrt werden. Verständlich, dass Kritiker von „Generalunfug“ sprechen. Besonders schlimm: Es sind in Deutschland noch 38 weitere solcher Sperrungen geplant. Bahn für Alle fordert, Sanierungsmaßnahmen grundsätzlich kundenverträglich zu gestalten, ohne jede Vollsperrung. Außerdem muss der zentrale Aspekt, künftig mehr Verkehr auf die Schiene bringen zu können, bei jeder der Sanierungen umgesetzt werden.
Ablösung von Bahnchef Richard Lutz
Richard Lutz, DB-Vorstandsvorsitzender seit 2017, soll abgelöst werden, so steht es seit Monaten im Koalitionsvertrag. Bis dahin bleibt er mit allen Befugnissen im Amt. Schon das ist besorgniserregend. „Headhunter“ sind mit der Suche nach einem Nachfolger für die Zwei-Millionen-Euro-Stelle betraut. Mit anderen Worten: Von den 20.000 Managern bei der DB hält Verkehrsminister Patrick Schnieder niemanden für geeignet. Wir sagen: Gehalt runter, auf Bundeskanzler-Niveau, und dann die Beschäftigten bestimmen lassen, siehe Presseschau unten.
Zufriedene Kunden?
Apropos Kunden: Am 22. September will der Verkehrsminister eine „Agenda für zufriedene Kunden auf der Schiene" vorstellen. Das klingt vielversprechend: Die Politik will die Bahn endlich steuern! Die letzten 30 Jahre war das angeblich nicht möglich. Wir haben Vorschläge, die wir Herrn Schnieder gern im Vorfeld zukommen lassen möchten. Einer davon ist die gemeinnützige Bahn. Wer noch nicht unterschrieben hat, sollte das jetzt tun: Hier geht es zu unserem Aufruf.
Privatisierung der S-Bahn Berlin
Der Regionalverkehr gilt manchen als Positivbeispiel für die These, dass durch Ausschreibungswettbewerb Angebot und Service besser würden und die Preise sinken (Winfried Kretschmann: „Wettbewerbsrendite“). Tatsächlich wurden vor 30 Jahren vor allem die Mittel für den Nahverkehr massiv erhöht, was zu einer Steigerung der Angebote führte (nicht überall, in Ostdeutschland wurden viele Verbindungen eingestellt). Auf lange Sicht ist die Realität der Ausschreibungen allerdings ernüchternd: Zugausfälle und katastrophale Ersatzverkehre allenthalben, durch Insolvenzen, veraltetes oder zu knapp bemessenes Wagenmaterialund zu wenige Lokführer. Faktisch ist es eine Privatisierung zu hohen Kosten, denn private Anbieter verdienen prächtig mit dem Geschäft. Auch die DB hält die Hand auf, das heißt dann: „DB Regio schreibt schwarze Zahlen“. Jetzt wurde in der größten Ausschreibung im deutschen Nahverkehr eine Entscheidung getroffen: Ein Konsortium aus Siemens, Stadler und der DB-Tochter S-Bahn Berlin GmbH bekam den Zuschlag. Allerdings wird erwartet, dass ein unterlegener Bieter dagegen klagen wird. Schon jetzt sind viele unserer Kritikpunkte an dieser Ausschreibung eingetreten. Verfahren und Umsetzung haben sich um Jahre verzögert. Statt der geplanten acht Milliarden rechnet man in Berlin inzwischen mit einem Volumen von 20 Milliarden. Bahn für Alle fordert, das Verfahren abzubrechen und die Berliner S-Bahn stattdessen zu kommunalisieren. Werden Wagen, Betrieb und Netz in öffentlicher Hand zusammengeführt, wäre ein zukunftsfähiger Ausbau möglich. Unsere zugehörige Pressemitteilung wurde unter anderem im Stern, bei t-online.de, in der Welt, der Süddeutschen Zeitung, dem Berliner Tagesspiegel und in der taz zitiert, mehr dazu in der Presseschau unten.
Beitritt BUND: Herzlich willkommen!
Die Bahn ist Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Sie sollte ein zentraler Treiber für Klimaschutz, Lebensqualität und zukunftsfähige Infrastruktur in Deutschland sein – so sehen wir das, und so sieht und beschreibt das auch der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) in seinem aktuellen bahnpolitischen Papier „Die Zukunft der Bahn – Für Mensch, Umwelt und Klima“. Da ist es nur folgerichtig, dass der BUND Bahn für Alle beitritt. Wir freuen uns über die Verstärkung und auf die Zusammenarbeit und sagen: Herzlich willkommen!
Jubiläum
Im Herbst 2005 wurde Bahn für Alle als Bündnis gegen den damals geplanten Bahnbörsengang der DB gegründet. Seither intervenieren wir in politischen Debatten im Sinne einer Bahn, die wirklich alle mitnimmt, bürgernah und als echte Alternative zu Auto, Lkw und Flugzeug. Das 20-Jahre-Jubiläum wollen wir zum Anlass nehmen, um zu fragen: Was benötigt eine Bahn, um diese Ziele in den kommenden 20 Jahren zu erreichen? Dazu wollen wir mit Gästen aus der Politik diskutieren. Die Veranstaltung ist öffentlich, wir laden all unsere Wegbegleiter und Interessierten herzlich ein: am 10. November in die Stadtwerkstatt, Karl-Liebknecht-Straße 11, 10178 Berlin. Der Beginn ist für 18 Uhr geplant. Gern schon unter info@bahn-fuer-alle.de anmelden. Weitere Informationen folgen.
Herzlich grüßen
für das Bündnis Bahn für Alle
Carl Waßmuth | Katrin Kusche
PS: Leiten Sie unsere Mail an Bahn-Freundinnen und -Freunde weiter.
INFOBOX/PRESSESCHAU (Auswahl)
Unsere Pressemitteilungen seit dem letzten Rundbrief:
30.08.2025 | S-Bahn Berlin: "Vergabe vor der Bieter-Klage aufheben". Die Bündnisse Bahn für Alle und EINE S-Bahn für ALLE warnen vor den Folgen der Privatisierung im Zuge der Vergabe von zwei Teilstücken des Berliner S-Bahn-Betriebs.
29.07.2025 | Zum Schuljahresende: "Schlechtes Zeugnis für die Bahn". Angesichts der miesen Halbjahresbilanz der Deutschen Bahn fordert das Bündnis Bahn für Alle: Der Bund muss steuernd eingreifen.
Presse-/Medienreaktionen auf Bahn für Alle
Auswahl der Reaktionen auf unsere o. g. Pressemitteilung zur S-Bahn:
30.08.2025 | t-online: "Berliner Nahverkehr. DB-Konsortium erhält 15-Milliarden-Auftrag für S-Bahn-Netz"
30.08.2025 | Die Zeit: "Ausschreibung: Konsortium angelt sich Mega-Auftrag für Berliner S-Bahn"
30.08.2025 | Stern: "Ausschreibung. Konsortium angelt sich Mega-Auftrag für Berliner S-Bahn"
30.08.2025 | Bahnblogstelle: "Konsortium gewinnt Großauftrag für Berliner S-Bahn"
30.08.2025 | Welt: "Konsortium angelt sich Mega-Auftrag für Berliner S-Bahn"
30.08.2025 | Berliner Morgenpost: "Entschieden: Diese Firmen betreiben künftig die S-Bahn"
30.08.2025 | Lok-Report: "Berlin: Vergabe vor der Bieter-Klage aufheben – Kommunalisierung von Betrieb, Wagen und Netz kann das Chaos der S-Bahn-Ausschreibung beenden"
30.08.2025 | General-Anzeiger: "Ausschreibung. Konsortium angelt sich Mega-Auftrag für Berliner S-Bahn"
Weitere Pressereaktionen auf unsere Arbeit:
28.08.2025 | NachDenkSeiten: „S-Bahn vorm Kollaps und Ausverkauf: ‚Das Ganze ist eine Privatisie-rung!‘“: Die Berliner S-Bahn fährt von einer Krise in die nächste. Was sind die Hintergründe, wie sind die Aussichten? Ralf Wurzbacher hat dazu ein Interview mit Carl Waßmuth, Sprecher von Bahn für Alle, geführt.
21.08.2025 | nd-aktuell: "Richard Lutz. Bahnchef tauschen reicht nicht". Wir brauchen eine gemeinnützige Bahn, die ihren Vorstand selbst wählt. Ein Gastkommentar von Carl Waßmuth von Bahn für Alle.
16.08.2025 | junge Welt: Im Artikel „Bahn-Chef Lutz auf dem Abstellgleis“ zitiert Ralf Wurzbacher Bahn für Alle: „Wir schlagen vor, dass die Beschäftigten die Nachfolge selbst bestimmen, und die Bahnkunden haben auch eine wichtige Meinung in dieser Frage. ...“
30.07.2025 | junge Welt: In ihrem Beitrag "DB opfert Cargo" zitiert Gudrun Giese Bahn für Alle: "Dass es bei der Deutschen Bahn nicht läuft, liegt ... auch daran, dass sie 'als profitorientiertes Unternehmen nicht leistet, was wir benötigen'."
24.06.2025 | junge Welt: „Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG). Vorfahrt für Spekulanten“. Die drohende Gesetzesnovelle könnte den Verschleiß der Schieneninfrastruktur noch verschärfen. Im Beitrag ist zu lesen, warum Bahn für Alle eine "versteckte verkehrspolitische Konterrevolution" befürchtet.
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