
Großbritannien beendet Privatisierung der Bahn
Liebe Freundinnen und Freunde einer Bahn für alle,
vor 30 Jahren wurde die Britische Eisenbahn British Rail im Zuge der Privatisierung in über 100 verschiedene Unternehmen zerschlagen. Verkauft wurden Schienennetz, Wagen, Lokomotiven und etwas später der Güterverkehr. Veräußert wurde auch der Bahnbetrieb selbst, zunächst an sieben Unternehmen, später wurden es 25. Die Privatisierung erwies sich für den britischen Schienenverkehr als Desaster. Er wurde für schlechten Service bekannt, für zersplitterte Zuständigkeiten und für ein Chaos von Preisen. Pendler mussten für Jahreskarten auf vergleichbaren Strecken bis zum Fünffachen bezahlen wie Bahnkunden auf dem europäischen Festland. Zudem zeigten Unfälle mit Dutzenden Toten und Hunderten Verletzten, dass das Schienennetz in kurzer Zeit kaputtgespart worden war. Es wurden 1200 Langsamfahrstellen eingerichtet, dann ging der Netzbetreiber Railtrack pleite. Die öffentliche Hand musste das Netz zu immensen Kosten generalsanieren, heute ist es in der teilstaatlichen Gesellschaft Network Rail.
Verständlich, dass Britinnen und Briten von ihrer Bahnprivatisierung die Nase gestrichen voll haben, ihre Regierungen stellen sich nach und nach darauf ein. Während der Pandemie konnte der Bahnbetrieb nur durch Übernahme in Staatsregie aufrechterhalten werden. Nun lässt die neue Labour-Regierung alle Konzessionen sukzessive auslaufen. »South Western Railway ist jetzt wieder in staatlichem Besitz. Und das ist nur der Anfang«, schrieb der britische Premierminister Keir Starmer vor wenigen Tagen. Der Ausverkauf von British Rail hatte Folgen für die Privatisierung des Bahnverkehrs in Europa. Investmentfonds stiegen in den Bahnverkehr ein und konnten mit den britischen Staatsgeldern auf dem Kontinent mit öffentlichen Anbietern in Konkurrenz treten, andere Staatsbahnen machten es nach und spielen seither in Nachbarländern Privatbahn, darunter auch die Deutsche Bahn.
Deutschland hat seine Bahn vor 30 Jahren „nur" formell privatisiert. Der Ausverkauf verlief seither oft unterhalb des öffentlichen Radars. Dennoch sind heute 85 Prozent der Bahnhofsgebäude verkauft, 50 Prozent des Nahverkehrs wird von Dritten erbracht, 80 Prozent des Güterverkehrs erfolgt privat. Und es wurden innerstädtische Grundstücke versilbert, teilweise mit Nachdruck wie in Stuttgart. Der Verfall des Schienennetzes verlief weniger dramatisch, hat aber inzwischen auch einen Zustand erreicht, in dem ein zuverlässiger, geschweige denn pünktlicher Betrieb unmöglich geworden ist.
Nun haben wir einen neuen Verkehrsminister, Patrick Schnieder von der CDU. Die Briten liefern eine Steilvorlage für seinen Amtsantritt! Der Minister kann die Abkürzung gehen, will heißen: Statt dem früheren britischen Privatisierungsirrweg in Deutschland weiter nachzueifern, kann er die Bahn in Deutschland jetzt sofort gemeinnützig organisieren. Unsere Unterstützung ist ihm dabei sicher, wir haben schon ein Gesprächsangebot ins Ministerium geschickt.
Herzlich grüßen
für das Bündnis Bahn für Alle
Carl Waßmuth | Katrin Kusche
PS: Bereits vor 15 Jahren musste Transport for London seine U-Bahn zurückkaufen, die man achteinhalb Jahre zuvor aufgeteilt und privatisiert hatte. Als nach der Privatisierung technisch-betrieblich kein sicherer Verkehr mehr angeboten werden konnte, musste die öffentliche Hand eingreifen, zu hohen Kosten. Die Situation ist mit der S-Bahn Berlin gut vergleichbar – mit dem Unterschied, dass man in Berlin gerade erst loslegt mit der Aufteilung und Privatisierung. Ende März endete nach sechs Jahren mit 25 (!) Verschiebungen die Ausschreibung, nun läuft die Vergabe ...
PPS: Neuer Minister, neues Glück – was Volker Wissing mit unserem Aufruf für eine gemeinnützige Bahn gemacht hat, wissen wir nicht. Wir haben weiter Unterschriften gesammelt, und wollen sie jetzt Patrick Schnieder zu unserem Gespräch mitbringen. Wer noch nicht unterzeichnet hat, hier ist das noch möglich: https://bahn-fuer-alle.de/die-ganze-bahn-muss-gemeinnuetzig-werden/
PPPS: Leiten Sie unsere Mail gern an Bahn-Freundinnen und -Freunde weiter.
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