Rundbrief Ausgabe 41 // 22. März 2011

Liebe Freundinnen und Freunde,

die schrecklichen Ereignisse in Japan machen uns fassungslos. Die Reaktorkatastrophe in Fukushima führt auf erschütternde Weise vor Augen: Es gibt keinen Schutz vor dem nuklearen Restrisiko. Auch die Bahn setzt auf Atomstrom. Deswegen beginnen wir unseren Rundbrief mit der Bitte an Sie, sich am kommenden Samstag an den großen Demonstrationen für den sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie zu beteiligen. Mehr dazu finden Sie in unserer ersten Meldung.

Als unser Bündnis Bahn für Alle 2006 bis 2008 in der immer wieder verlängerten „heißen Phase“ erfolgreich gegen den Börsengang der Bahn kämpfte, meinten viele, dass wir den Verkauf nur lange genug aufhalten müssten. Dann würde der Deutschen Bahn AG die jahrelange mangelhafte Wartung von Zügen und Schienennetz auf die Füße fallen und die politische Unterstützung für ihren Privatisierungskurs weg brechen. Im Mai 2008 hatte der Deutsche Bundestag zwar eine Teilprivatisierung der DB Mobility Logistics AG beschlossen, doch wegen der globalen Finanzkrise wurde der Börsengang im Herbst 2008 bis auf weiteres „ausgesetzt“.

Heute ist es offiziell, dass für den Börsengang auf Verschleiß gefahren wurde: Im Sommer streikten bei großer Hitze die Klimaanlagen, und Fahrgäste kollabieren. Das Bahnmanagement gibt zu, dass das preisbewusst beschaffte Kühlsystem sich bei hochsommerlichen Temperaturen automatisch abschaltet. Auf das Sommerchaos folgte das Winterchaos. Kaum wurde es eisig, verspätete sich ein Großteil der Züge um Stunden oder fuhr gar nicht mehr.

Berlin hat sein eigenes S-Bahn-Chaos: Die mangelhaft gewarteten DB-eigenen Züge fahren nach einem permanenten Notfahrplan. Bei Schnee wurde dieser gar durch den Not-Notfahrplan ersetzt. Ganze S-Bahn-Linien lagen komplett still. Viele BerlinerInnen sind inzwischen wieder auf ihr Auto umgestiegen – so sieht kein ökologischer Verkehr aus.

Stuttgart 21 ist der Höhepunkt der falschen Investitionspolitik im Bahnverkehr. Während für die Tieferlegung und Kapazitätsminderung des Stuttgarter Hauptbahnhofs Milliarden vergraben werden sollen, fehlte bei Hordorf offensichtlich die halbe Million Euro, um das elektronische Sicherungssystem PZB zu installieren. Es hätte das schwere Unglück mit 10 Toten verhindern können. Auch für Menschen, die sich sonst nicht viel mit Bahnpolitik befassen, wird deutlich: Die Logik von Privatisierung und Gewinnmaximierung bei der Bahn führt zu einer unzuverlässigen und unsicheren Bahn. Deswegen hat das Bündnis Bahn für Alle jetzt zusammen mit Stuttgarter Aktiven die Postkarten- und Online-Aktion an Bundesverkehrsminister Ramsauer gestartet: Die Zeit ist reif für einen Kurswechsel in der Bahnpolitik für eine bessere Bahn in öffentlicher Hand.

Bitte unterstützen Sie unsere Arbeit mit Ihrer Spende. Die formelle Trägerschaft ist von unserem Bündnismitglied Attac zur Grünen Liga gewandert, deswegen haben wir eine neue Bankverbindung: (ACHTUNG, Angabe veraltet, neuer Träger und neue Bankverbindung siehe hier!)

Konto Nr. 802 567 XXX X,
BLZ 430 XXX XX,
GLS Gemeinschaftsbank eG;
Kontoinhaberin: Grüne Liga e.V.;
Verwendungszweck: „Bahn für Alle“.
Ihre Spende ist steuerabzugsfähig.

Viel Spaß bei der Lektüre wünschen für das Bündnis Bahn für Alle
Monika Lege und Bernhard Knierim

1) Nach Fukushima: Die Bahn und der Atomausstieg

Die Deutsche Bahn AG brüstet sich damit, Vorreiter in Sachen Elektromobilität zu sein. Doch ein Viertel des Bahnstroms ist Atomstrom. Bahnchef Grube tritt als Testimonial des Deutschen Atomforums auf und setzte sich für die im letzten Herbst beschlossene Laufzeitverlängerung ein. Der Atomstrom der Bahn kommt aus dem AKW Neckarwestheim I und II. Der nach Fukushima abgeschaltete Meiler Neckarwestheim I profitierte besonders von der schwarzgelben Laufzeitverlängerung. Erst im Februar 2011 begann die Bahn mit dem 46,5 Millionen Euro schweren Bau eines Umrichterwerks in Neckarwestheim, der den Betrieb der Bahn mit Atomstrom auf Jahrzehnte betoniert. Stattdessen sollte die Bahn schnell ihren Anteil von immerhin bereits 18,2% erneuerbaren Energien weiter erhöhen. Die Bahn ist das einzige Verkehrsmittel, das schon jetzt fast vollständig mit erneuerbaren Energien betrieben werden könnte; diesen Umweltvorteil sollte sie auch tatsächlich nutzen.

Wir fordern von der Bahn den Ausstieg aus dem Atomgeschäft und bitten Sie, sich an den bundesweiten Demonstrationen gegen Atomkraft am kommenden Samstag, den 26. März zu beteiligen. Die Reaktorkatastrophe in Fukushima führt auf erschütternde Weise vor Augen: Es gibt keinen Schutz vor dem nuklearen Restrisiko. Nach Fukushima kann es nur eine Konsequenz geben: Atomkraft abschalten! Mit zehntausenden Menschen demonstrieren wir in Berlin, Hamburg, Köln und München für das endgültige Aus der Atomenergie:

  • Berlin 12.00 Uhr, Potsdamer Platz
  • Hamburg 12.00 Uhr, Moorweide/Dammtor
  • Köln 14.00 Uhr, Deutzer Werft
  • München 14.00 Uhr, Odeonsplatz.

http://anti-atom-demo.de/

2) Faltblatt „Ihr Reiseplan“ und Online-Aktion für eine bessere Bahnpolitik

Stuttgart 21 ist ein Scheideweg für die zukünftige Bahn- und Verkehrspolitik. Wird der Kellerbahnhof mit einer nahezu halbierten Gleisanzahl gebaut, hebelt das alle Bemühungen für eine Flächenbahn mit Integriertem Taktfahrplan nach Schweizer Vorbild aus. Vor drei Wochen ist die neue – inzwischen elfte – Ausgabe unseres Faltblatts „Ihr Reiseplan“ erschienen. Sie können es unter http://www.bahn-fuer-alle.de/ herunterladen und im Attac Webshop zum Verteilen bestellen: http://shop.attac.de/index.php/neue-produkte/ihr-reiseplan-hochste-eisenbahn-stoppt-stuttgart-21-wahn.html. Gleichzeitig ist unsere Postkarten- und Online-Protestaktion angelaufen. Wir fordern von Verkehrsminister Peter Ramsauer einen Kurswechsel in der Bahnpolitik. Statt die Milliarden in Stuttgart zu versenken, muss das Geld in einen sicheren und zuverlässigen Fern- und Nahverkehr investiert werden. Hier geht es zu der Online-Aktion: http://www.robinwood.de/Protest.618.0.html

3) Stuttgart 21 und Landtagswahl in Baden-Württemberg

Das Milliardengrab Stuttgart 21 soll gebaut werden, obwohl längst erwiesen ist, dass ein modernisierter oberirdischer Kopfbahnhofs leistungsfähiger ist, nur ein Drittel von der Keller-Variante kostet und deutlich weniger Risiken bei Bau und Betrieb birgt. Am kommenden Sonntag wird in Baden-Württemberg gewählt, und viele BürgerInnen werden mit dieser Wahl ein Zeichen setzen gegen dieses unsinnige Großprojekt und die Arroganz, mit der es trotz aller Widersprüche durchgesetzt werden soll. In diesem Sinne: Oben bleiben!

4) Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit in Bahnhöfe

Am 22. Februar entschied das Bundesverfassungsgericht, dass Meinungs- und Versammlungsfreiheit auch in Bahnhöfen und Flughäfen gelten. Aus der Urteilsbegründung: „Ein vom Elend der Welt unbeschwertes Gemüt des Bürgers ist kein Belang, zu dessen Schutz der Staat Grundrechtspositionen einschränken darf.“ Am 5. März verteilten Aktive vom Bündnis Bahn für Alle im Stuttgarter Bahnhof die neuen „Ihr Reiseplan“ – Faltblätter gegen das Milliardengrab Stuttgart 21 und für eine bessere Bahn in öffentlicher Hand. Sicherheitsleute der Bahn forderten sie auf, dieses zu unterlassen und das Bahnhofsgebäude zu verlassen. Die Aktiven holten eine Kopie der BVG-Entscheidung hervor. Der Sicherheitsdienst rief daraufhin die Bundespolizei. Die beiden Bundesbeamten waren besser über die Rechtslage informiert – und behelligten die Aktiven nicht weiter beim Flyerverteilen im Bahnhof. NachahmerInnen dieser Aktion in vielen anderen Bahnhöfen werden die DB AG daran erinnern, dass sie ihre verfassungswidrige Hausordnung für die Bahnhöfe ändern muss.

5) Stuttgart 21 in Heidelberg und Frankfurt

Am 4. März haben KlimaaktivistInnen und von ROBIN WOOD-KletterInnen an der Fassade des Heidelberger Hauptbahnhof ein Banner angebracht an mit der Aufschrift „Ohne Stuttgart 21 schneller in die Zukunft – S-Bahn Rhein-Neckar ausbauen statt Bahnhof verbuddeln!“. Ein Ausbau der S-Bahn würde den Bahnverkehr in der Region stärken und einer Vielzahl von BahnkundInnen nützen. Ein wohnortnahes Mobilitätsangebot für den alltäglichen Bedarf gewinnt mehr Menschen für die Bahn als Verkehrsmittel. Eine Fahrzeitverkürzung um ein paar Minuten von Heidelberg zum Stuttgarter Flughafen wird dagegen kaum mehr Menschen zu BahnkundInnen machen. Zuvor hatte an der Stelle ein DB-Werbebanner für S21 und Flugreisen gehangen: Mit S21 gelangten Fahrgäste aus Heidelberg künftig in 56 Minuten zum Stuttgarter Flughafen.

Einen Tag zuvor hängten in Frankfurt ROBIN WOOD-KletterInnen in den Platanen vor dem historischen Bahnhofsgebäude ein Transparent gegen S 21 auf. Der Frankfurter Kopfbahnhof, Ende des 19 Jahrhunderts erbaut und in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts erweitert, ist die wichtigste Drehscheibe im Zugverkehr bundesweit und damit das vermutlich größte gemauerte Argument gegen den Abriss eines oberirdischen Bahnknotens in Stuttgart. Vor rund fünfzehn Jahren gab es auch für den Frankfurter Bahnhof Pläne, ihn unter die Erde zu verlegen und die frei werdenden innerstädtischen Immobilien hochprofitabel zu verscherbeln. Der Plan landete wie fast alle so genannten 21er Bahnhofsprojekte auf dem Müllhaufen der Immobilienspekulation. Übrig blieben Stuttgart 21 und Lindau.

6) S-Bahn-Tisch in Berlin gegründet

Die S-Bahn in Berlin war einmal ein zuverlässiges und beliebtes Verkehrsmittel in der Hauptstadt, bis sie im Jahr 2007 ein neues Management erhielt, das die „OSB“ einführte, die „Optimierung S-Bahn-Berlin“. Hinter diesem Programm verbargen sich umfangreiche Sparmaßnahmen, insbesondere in den Wartungswerkstätten. Das Unglück nahm seinen Lauf: Im Winter 2008/09 kam es zum ersten Chaos wegen zugefrorener Fahrsperren, am 1. Mai 2009 zu einem Radbruch. Im Sommer 2009 stellte sich heraus, dass zahlreiche Bremszylinder defekt und Untersuchungsprotokolle gefälscht waren. Das Eisenbahnbundesamt ordnete häufigere Prüfungen an. In der Folge waren zeitweise nur noch 165 von 632 S-Bahn-Zügen einsatzbereit. Im letzten Winter kam es aufgrund ausfallender Motoren zu einem stark eingeschränkten Verkehr samt Einstellung ganzer Linien. Bis heute fährt die S-Bahn mit einem permanenten Notfahrplan, der den BerlinerInnen noch für einige Jahre erhalten bleiben wird. Die vom Berliner Senat nun propagierte „Lösung“ ist eine Ausschreibung einzelner S-Bahn-Linien. Das wäre jedoch der Versuch, das Problem mit der gleichen Logik zu bekämpfen, durch die es entstanden ist: Wenn man hier einen Preiskampf zwischen unterschiedlichen Anbietern entfacht, wären diese unter hohem Kostendruck und würden versuchen, noch mehr an der Wartung zu sparen. Durch die Aufspaltung gäbe es außerdem hohe Synergieverluste.

Am 5. März fand wegen des S-Bahn-Chaos eine Protestkundgebung am Potsdamer Platz vor der DB-Zentrale statt. Am 8. März wurde auf einer gut besuchten Veranstaltung diskutiert, wie die Pläne des Senats verhindert werden und Sofortmaßnahmen die S-Bahn wieder ins Rollen bringen können. Dazu gründete sich der Berliner „S-Bahn-Tisch“, an dem sich analog zu dem erfolgreichen Berliner „Wassertisch“ die Organisationen vernetzen, die zu dem Thema aktiv sind.

7) Spendenaufruf

Die Aktivitäten von Bahn für Alle kosten Geld. Daher sind wir auf Ihre Spenden angewiesen. Bitte unterstützen Sie uns mit einer Spende auf das neue Konto von Bahn für Alle (ACHTUNG, Angabe veraltet, neuer Träger und neue Bankverbindung siehe hier!):

Konto Nr. 80XXX XX (GLS Gemeinschaftsbank eG).
Kontoinhaberin ist unser Bündnismitglied Grüne Liga e.V.
Bitte vergessen Sie nicht, als Verwendungszweck „Bahn für Alle“ anzugeben. Ihre Spende ist steuerlich absetzbar. Bitte geben Sie Ihre Postadresse bei der Überweisung an, damit wir Ihre Spendenbescheinigung zustellen können.

Vielen Dank!