Rundbrief Ausgabe 39 // 13. Oktober 2008

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter für eine bessere Bahn,

es gibt etwas zu feiern! Was für uns zwischenzeitlich immer wieder außerhalb des Möglichen zu verschwinden schien, ist nun Realität geworden: Der Börsengang der Bahn wurde verschoben! Das ist ein riesiger Erfolg, der zu großen Teilen auch auf unsere jahrelange Arbeit zurück zu führen ist! Danke an alle, die in irgendeiner Form dazu beigetragen haben – egal ob über Unterschriften, Aktionen, Mitarbeit, Verbreitung der Informationen, Leserbriefe, Spenden oder andere Aktivitäten!

Derzeit ist meist zu hören, dass ein neuer Versuch für Anfang Februar 2009 geplant ist. Damit würde das unliebsame Projekt mitten ins Wahljahr geraten, was die Privatisierer unbedingt vermeiden wollten. Denn eine demokratische Verfügung über das Eigentum der Allgemeinheit – unsere Bahn – ist von diesen Leuten nicht erwünscht.

Damit aus „aufgeschoben“ letztlich auch „aufgehoben“ wird, heißt es nun, auf unserem Erfolg aufzubauen. Nicht die Finanzkrise ist der Grund, weshalb wir unsere Bahn in öffentlichem Besitz wollen. Auch ohne diese Krise spricht alles dafür. Das müssen und werden wir weiter offensiv vertreten.

Für das Bündnis
Jürgen Mumme

1. Börsengang der Bahn verschoben!

Hartmut Mehdorn sah sich nach zahlreichen Hürden am Ziel: Am 27. Oktober sollte die Bahn gegen den erklärten Willen der Bevölkerungsmehrheit an der Börse gehandelt werden. Heute am 13. Oktober sollte der Börsenprospekt erscheinen. In einer Pressemitteilung riefen wir noch einmal dazu auf, den Börsengang auszusetzen.

Nur wenige Minuten Später die erste Eilmeldung bei der Financial Times: Der Börsengang der Bahn soll verschoben werden. Zunächst ungläubiges Staunen, dann die Gewissheit, als die Meldung bei immer mehr Medien erscheint. Das war der Moment, für den sich so viele Menschen seit mehreren Jahren engagiert haben: Der Börsengang der Bahn wurde verschoben! Zunächst hieß es, in den November. Andere Medien berichteten von Anfang Februar, wieder andere benutzten die Formulierung „auf unbestimmte Zeit“.

Daraufhin gab es dann unsere Pressemitteilung zur Verschiebung des Börsengangs, die uns besonders große Freude machte.

Die gute Nachricht: Der Börsenprospekt wird heute nicht erscheinen, und am 27. Oktober wird keine einzige Aktie der DB AG verkauft werden. Die Bahn bleibt bis auf weiteres zu 100 Prozent im öffentlichen Eigentum. Eine Bewertung der Situation findet sich im Text „Prima Börsenklima: Bahnbörsengang verschoben“ von Winfried Wolf.

Sehr unterhaltsam ist folgender Artikel der ZEIT, der uns zeigt, was wirklich hinter allem steckt.

2. Erfolgreiche Unterschriftenaktion von Bahn für Alle

Vor knapp zwei Wochen hatten wir den Appell „Bahnbörsengang AUSSETZEN“ gestartet. Der Ansturm war so enorm, dass unsere Internetseite zeitweilig nicht mehr aufrufbar war.

In den Tagen seit Start des Aufrufs haben bereits etwa 5.000 Menschen unterschrieben (Stand 13. Oktober, 12:00 Uhr). Unter den UnterzeichnerInnen sind auch zahlreiche Abgeordnete aus den Landtagen und aus dem Bundestag. Neben Claudia Roth und Fritz Kuhn hat fast die gesamte Fraktion von Bündnis 90/Grüne unseren Aufruf unterzeichnet.

Der Aufruf findet sich unter http://www.bahn-fuer-alle.de/media/docs/2008/Boersengang_Aussetzen_081001.pdf

3. Pressekonferenz am 17. Oktober in Köln

Im letzten Rundbrief berichteten wir über die Verschleppungstaktik der DB AG bei der Aufklärung des Achsbruchs beim ICE. Sowohl die DB AG als auch die Kölner Staatsanwaltschaft geben keinerlei Details zum Unfallgeschehen preis. Bahn für Alle wird am 17. Oktober mit Experten eine Pressekonferenz zum Thema ICE-Sicherheit in Köln veranstalten. Zur Klärung ist es unbedingt erforderlich, Zugang zu den relevanten Informationen zu erhalten. Professor Grubisic, Gutachter von Eschede, nimmt an der Pressekonferenz teil. Er fordert, die gebrochene Achse endlich der Fachwelt zugänglich zu machen.

4. Berliner SPD lehnt jeden Börsengang der Bahn ab

Mit dem Aussetzen des Börsengangs wird ein wichtiges Ziel erreicht: Die Privatisierung steht wieder auf der Agenda. Sie wird von immer mehr Menschen kritisch betrachtet und wieder insgesamt infrage gestellt. Jüngstes Beispiel ist der Berliner Landesverband der SPD. Auf dem Landesparteitag der SPD Berlin wurde am 11.Oktober 2008 beschlossen, dass es gar keinen Börsengang der Bahn geben soll.

Der original Antrag lautet wie folgt:

Initiativantrag Nr. 1

EINSTIMMIG ANGENOMMERN

„Keine Privatisierung, kein Börsengang der Bahn

Die SPD Berlin lehnt jegliche Privatisierung der Bahn ab! Die Bahn muß vollständig im öffentlichen Eigentum, als Staatsbetrieb der öffentlichen Daseinsvorsorge, bleiben.

Der Berliner Landesverband der SPD wird diesen Antrag als Initiativantrag auf dem außerordentlichen Bundesparteitag am 18.Oktober in Berlin einbringen.“

Die Landesverkehrsministerkonferenz hatte sich vor wenigen Tagen ebenfalls kritisch zum Börsengang geäußert.

5. Die Bedeutung der Bahnprivatisierung fürs Ausland

Die Privatisierungsgeschichte unserer Bahn hier in Deutschland hat auch hohe symbolische Bedeutung. In verschiedenen weiteren Ländern wie z.B. England gab es bereits schlechte Erfahrungen mit privatisierten Bahnen. In anderen Ländern wie z.B. Österreich gibt es Bestrebungen, ebenfalls zu privatisieren. Daher wird sehr genau beobachtet, wie die Entwicklung sich in Deutschland gestaltet. Mittlerweile ist der Einsatz für Bahnen in öffentlicher Hand auf der europäischen Ebene angekommen und vernetzt sich. Statt Konkurrenz, wie sie von den Privatisierern immer gefordert wird, haben wir etwas anderes zu bieten: Solidarität! Daher endet dieser Rundbrief mit einer Grußbotschaft aus England:

Dear all,

This is fantastic news!

Congratulations to all the members of the German coalition against railway privatisation „Bahn für Alle“.

Hasta la Victoria Siempre!

Alex Gordon,

National Union of Rail, Maritime & Transport Workers (RMT) UK