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Wahlkampf Wie die Parteien die Bahn stärken wollen

Die Coronakrise setzt der Bahn zu, doch Politiker versprechen dem Unternehmen im Wahlkampf eine fulminante Zukunft – mit Deutschlandtakt, 365-Euro-Ticket und einem Nachtzugnetz für ganz Europa. Was welche Partei vorhat.
Wohin geht die Reise der Bahn? Die Parteien haben unterschiedliche Vorstellungen, welche Rolle dem Fernverkehr auf Schienen in Zukunft zukommen soll

Wohin geht die Reise der Bahn? Die Parteien haben unterschiedliche Vorstellungen, welche Rolle dem Fernverkehr auf Schienen in Zukunft zukommen soll

Foto: Ralph Peters / IMAGO

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Verspätungen, ausgefallene Züge, Signalstörungen – seit vielen Jahren hakt es im Betriebsablauf der Deutschen Bahn, Kundinnen und Kunden sind genervt. Selbst im Coronajahr 2020 fuhren nur 81,8 Prozent aller ICE- und IC/EC-Züge laut DB-Angaben pünktlich. Und das, obwohl nur Fahrten mit mehr als fünfzehn Minuten Verspätung in die Statistik eingehen.

Im vergangenen Jahr fuhren rund 80 Millionen Passagiere mit den Fernzügen der DB, wesentlich weniger als vor der Pandemie. Künftig sollen wieder mehr Menschen einsteigen, darin sind sich die im Bundestag vertretenen Parteien einig. Während es bei der Rolle, die Auto und Fahrrad in der Mobilität von morgen spielen sollen, teils große Differenzen zwischen den Parteien gibt, sind sie sich beim Thema Bahn überraschend einig. Mit welchen Maßnahmen der Verkehr auf der Schiene künftig konkret gestärkt werden soll, zeigen die Wahlprogramme. Der SPIEGEL hat sie gesichtet.

Auch den ÖPNV wollen die meisten Parteien fördern, um mehr Menschen Mobilität ohne eigenes Auto schmackhaft zu machen

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Foto: KJPeters / Beautiful Sports / IMAGO

CDU/CSU: Durch die Republik im Deutschlandtakt

Gleich im ersten Kapitel des Unions-Mobilitätsprogramms kommt die Bahn vor, vor dem Auto. »Eine starke Schiene und der öffentliche Personennahverkehr sind ein bedeutender Faktor für die Dekarbonisierung des Verkehrs« heißt es dort – ein typischer Parteiprogramm-Allgemeinplatz. Dahinter folgt immerhin etwas mehr Substanz.

Die Union will »den Schienenverkehr mit dem Deutschlandtakt stärken«. Hinter dem Begriff verbirgt sich das Ziel, einen deutschlandweit abgestimmten, verlässlichen Zugfahrplan zu etablieren. Der soll sowohl den Personen- als auch den Güterverkehr deutlich verbessern. Bis 2030 sollen doppelt so viele Fahrgäste wie heute sicher und umweltfreundlich an ihr Ziel gebracht werden. Der Marktanteil des Schienengüterverkehrs soll auf mindestens 25 Prozent steigen. Ziel der Union ist es, »das Stauaufkommen auf den Autobahnen zu reduzieren«. Die Mittel zur Verbesserung des Schienengüterverkehrs sollen zudem erhöht, die Trassenpreise reduziert werden.

SPD: Wasserstoff, Marsch!

»Bahnfahren soll innereuropäisch günstiger und attraktiver als Fliegen sein.« Das fordert die SPD, die den Schienenverkehr in ihrem Wahlprogramm als »Schwerpunkt unserer verkehrspolitischen Agenda« bezeichnet.

Auch die SPD spricht sich dafür aus, den Deutschlandtakt umzusetzen – und zum »Europatakt aufbauen«. Dafür will die SPD kräftig investieren: in den Ausbau des Schienennetzes, den Lärmschutz und attraktivere Bahnhöfe. »Wir haben das Ziel, alle Großstädte wieder ans Fernverkehrsnetz anzuschließen.« Dafür sollen auch alte Bahnstrecken reaktiviert werden. In der bisherigen Amtszeit setzten sich die Sozialdemokraten dafür offenbar zu wenig ein. Bereits 2019 beklagten die Grünen, dass elf Großstädte, darunter Bottrop, Offenbach, Leverkusen und Chemnitz nicht ans Netz angeschlossen seien.

Wie bekommt man mehr Menschen dazu, die Bahn zu nutzen? Hierzu haben die Parteien unterschiedliche Auffassungen

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Foto: Daniela - Simona Tem / Shotshop / IMAGO

AfD: Vorbild Schweiz

Die AfD stellt das Automobil im Mobilitätskapitel ihres Wahlprogramms zwar an erste Stelle, danach jedoch beschäftigt sich auch die AfD mit der Bahn.

Wie die anderen Parteien setzt sich auch die AfD für »ein besser ausgebautes und abgestimmtes öffentliches Nah- und Fernverkehrsnetz« ein. Dieses soll sich am »einfachen und zuverlässigen Modell der Schweiz« orientieren. Tatsächlich soll das hierzulande der Deutschlandtakt richten. Die »Verkürzung der Reisezeiten auf allen Verbindungen« soll oberstes Ziel sein.

FDP: Schluss mit Staatsbahn

Die FDP hat für die Bahn die radikalsten Veränderungsvorschläge aller Parteien. Angesichts dessen sind die Ausführungen allerdings sehr knapp gehalten.

Das Ziel der Freien Demokraten ist es, »mehr Personen und Güter auf der Schiene zu transportieren«. Um das zu ermöglichen, will die FDP Infrastruktur und Bahnbetrieb der Schienen voneinander trennen. Der Betrieb soll privatisiert werden, die Netze im Eigentum des Bundes bleiben. So soll sich der Bund »voll auf die Bereitstellung und Modernisierung der Infrastruktur konzentrieren« können. Private Bahnunternehmen sollen miteinander in Konkurrenz treten, Kunden dadurch »von niedrigeren Preisen, besserem Service und mehr Angebot im Bahnverkehr« profitieren. Mit einer Staatsbahn sei das nicht möglich, schreibt die FDP. Zudem soll die Schiene digitalisiert werden, die Trassenpreise gesenkt werden.

Nicht nur der Personen-, sondern auch der Güterverkehr soll in den nächsten Jahren stark ausgebaut werden. Das fordern die Parteien in ihren Wahlprogrammen. Unter anderem sollen dadurch Lkw-Transporte und damit CO2-Emissionen eingespart werden.

Nicht nur der Personen-, sondern auch der Güterverkehr soll in den nächsten Jahren stark ausgebaut werden. Das fordern die Parteien in ihren Wahlprogrammen. Unter anderem sollen dadurch Lkw-Transporte und damit CO2-Emissionen eingespart werden.

Foto: Arnulf Hettrich / IMAGO

Die Linke: Mehr fahren, weniger zahlen

Mehr Verkehr auf neuen Schienen und die Tickets zu günstigeren Preisen – das alles verlangt die Linke in ihrem Wahlprogramm. Wie die vielen Vorschläge und die dafür notwendigen Aufwendungen finanziert werden können, lässt die Partei jedoch offen.

Ähnlich wie die SPD denkt auch die Linke über die Grenzen hinaus. Sie will, dass alle europäischen Großstädte bis 2030 »im abgestimmten Taktfahrplan« ans Netz angeschlossen sind. Dafür plant die Partei unter anderem ein Reaktivierungsprogramm für stillgelegte Bahnstrecken. Um mehr Menschen und Güter per Bahn zu transportieren, sollen die Trassenpreise halbiert werden, die öffentlichen Investitionen in die Schieneninfrastruktur verfünffacht werden. So sollen ICE-Züge auf modernen Gleisen mit bis zu 250 km/h unterwegs sein und im »mindestens stündlichem Takt« fahren. Woher das Geld für diese Investitionen kommen soll? Das bleibt offen.

Die Grünen: Neues Nachtzugnetz für Europa

Für die Grünen ist klar: »Eine leistungsfähige, verlässliche Bahn ist das Rückgrat einer nachhaltigen Verkehrswende.« Um das zu gewährleisten hat die Partei verschiedene Forderungen formuliert.

Auch die Grünen setzen auf den Deutschlandtakt. Wie SPD und Linke fordern auch die Grünen dazu die Wiederinbetriebnahme stillgelegter Bahnstrecken. Die Trassenpreise sollen deutlich reduziert werden. Zusätzlich soll der Regionalverkehr verdichtet werden. Alle deutschen Großstädte sollen ans Fernverkehrsnetz angeschlossen werden, dafür hatten sich die Grünen auch schon in der Vergangenheit eingesetzt. In zehn Jahren soll die Bahn vollständig barrierefrei sein, wenn es nach den Grünen geht.